Mein altes Hamburg

Andreas Pfeiffer

22587 Dockenhuden/Elbe 

Der Besuch des Königs von Dänemark in Hamburg und Altona

Eine Reportage im September 1845

 

Christian VIII, Dänischer König

Die willkommene Nachricht, dass Seine Majestät der König von Dänemark nach dem Badeaufenthalte auf Föhr eine Reise zu den deutschen Herzogtümern machen würde, hatte auch die Hoffnungen erweckt, den Monarchen in Hamburg zu sehen, wo Christian VIII. zuletzt im Jahr 1842 mit seiner Gemahlin zu besuche verweilt hatte. Anfangs glaubte man, die Königin würde auch diesmal mit nach Deutschland kommen, eine Vermutung, die sich jedoch bald als irrig erwies. 

Der König folgte der einmal von ihm festgesetzten Reiseroute sehr bestimmt und hinsichtlich Zeit und Ort fast ohne Abweichung. Sein erster längerer Besuch, nach der Ankunft auf deutschem Boden, galt dem bekannten General Grafen v. Blome auf dem schönen Gut in Heiligenstedten bei Itzehoe, wo der Monarch am 6.Sept. Abends anlangte. Graf Blome, früher Minister am russischen Hofe, blieb selbst nach seinem Rücktritt von den öffentlichen Geschäften noch in steter, enger Verknüpfung mit den diplomatischen Angelegenheiten Dänemarks, ja mit denen der meisten nordischen Höfe, woraus sich dann eine weitere Auszweigung seiner politischen Wirkung von selbst folgert. Tatsächlich ist, daß die Vermählung einer russischen Großfürstin, Tochter des Kaisers Nikolas, mit dem Prinzen Friedrich von Hessen, an den vielleicht Dänemark, Holstein und Hessen-Cassel zugleich zu fallen bestimmt sind, des Grafen Werk gewesen. Zwar machte der unerbittliche Tod einen Strich durch die seine diplomatische Berechnung, aber es soll ein gleichartiges Hochzeitsprojekt in Planung sein und der greise Diplomat am Störufer hat sehr treffend herausgefunden, daß die früheren Bedingungen wieder vollkommen eintreten werden, wenn Prinz Friedrich von Hessen, der überraschend zum Wittwer wurde, eine andere der noch ledigen Töchter des Kaisers zum Altar führt. 

 

Graf Otto Blome

Graf Blome ist ein ebenso feingebildeter, humaner Herr, wie kluger Politiker. In seiner Zurückgezogenheit auf einer herrlichen Besitzung, lebt er, eines großartigen Vermögens genießend, anscheinend ganz in Ruhe, Den Künsten und insbesondere der Wissenschaften, bleibt er mit durch eine, fortwährend vermehrte Bibliothek in Verbindung. Er erhielt den ehrenvollen Beinamen eines spiritus familaris der dänischen Königsfamilie.

 

Wir erwähnten bereits, das der König von Dänemark am 6.Sept. Abends auf dem Gute Heiligenstedten anlangte. Es war ein heiterer, angenehmer Abend, dessen es jedoch wohl kaum bedurft hätte, um die ganze Bevölkerung der Umgegend auf die Beine zu bringen. Welche Schaulust, welche angestrengte Aufmerksamkeit, welche Geduld beim Warten! Graf Blome hatte auch alles getan, um seinem königlichen Gast würdig zu empfangen und zu bewirten. Sein prächtiger, weit ausgedehnter Park war zur Tageshelle erleuchtet von tauenden von Lampen und nicht minder blitzten die Treibhäuser in diesem Freudenscheine. Die Tafel war dem jener durch Kunst erzogenen Blumenflur nahe dem Gartensaale serviert. Das Musikcorps des Jägerbataillons der Hamburger Bürgergarde war mit dem Dampfschiff “Die Stör” hinübergeschafft worden und mit seinen kräftigen, frischen Tönen war das Ohr nicht minder zufrieden als der Gaumen mit den Leckerbissen einer fürstlich besetzten Tafel. Ein zweites Musikchor, das der Stadt Itzehoe, stand außerhalb des Gartens und hatte den Auftrag, die Volksmenge zu unterhalten. Ein brillantes Kunstfeuerwerk brachte innerhalb des Parkes eine wahrhaft romantische Stimmung auf und in passender Weise den Abschluß der Festlichkeiten des Abends. 

 

Am nächsten Morgen, Sonntag, fuhr der König mit seinem Gefolge in den prächtigen, allgemeines Aufsehen erregenden Kutschen des Grafen Blome zur Kirche von Itzehoe, wo Seine Majestät andächtig an dem Gottesdienst teilnahm. Nach Beendigung desselben stattete der König bei der in dem Städtchen residierenden Prinzessin Juliane von Hessen einen Besuch ab. An fürstlichen Personen waren mit dem Monarchen auch der Prinz Statthalter und der Prinz Friedrich von Hessen mitgekommen. Prinz Friedrich von Hessen war von Petersburg nach Hamburg und dann seinem königl. Onkel nach Heiligenstedten entgegengereist, wo letzterem dadurch eine angenehme Überraschung bereitet wurde. 

Von Itzehoe nach Heiligenstedten zurückgekehrt, setzte der König mit seinem Gefolge, nach Zurücklassung von Geschenken an die Dienerschaft, um 7 Uhr Abend die Reise nach Glückstadt fort. Auch hier hatte alles ein festliches Ansehen gewonnen. In den Straßen wogten erwartungsvolle Menschenmassen, welche sich erst gegen Abend, bei Abfahrt des letzten Eisenbahnzuges, etwas lichtete, an den Häusern waren überall Illuminationsvorbereitungen getroffen, besonders zeichnete sich der Marktplatz aus. Das Gerüst zum Bahnhofsgebäude, erst im Werden begriffen, war voller Höhe durch Laubgewinde verhüllt und nicht weit davon erhob sich ein Triumphbogen, durch welchen wir uns vor dem König zu schreiten gestatteten. Derselbe übernachtete in Glückstadt bei einem Privatmanne, dem Gerichtsbeamten Hrn. v. Prangen und verweilte noch einen geraumen Teil des nächsten Tages an diesem freundlichen Orte. Illumination, Volksjubel, Militärmusik, Anreden, Erwiderungen u.s.w. können wir wohl lebhaft denken, doch nicht mehr als Augenzeugen schildern.

 

Wir machen nunmehr die Fahrt nach Altona, welche in 1 ¼ Stunde zurückgelegt wird, und sehen hier am Montag, schon in den Nachmittagsstunden, eine fröhliche Aufregung, die mit der hereinbrechenden Dämmerung immer mehr zunimmt. Nicht bloß die Altonaer Bevölkerung ist auf den Beinen, Tausende sind auch Hamburg herübergeströmt, um so rasch den König zu sehen, welche Neugier sich wie Viele meinen, mit republikanischen Gefühlen sehr wohl vereinigen lasse. -- Gleich nach 7 Uhr traf der König ein. Natürlich harrte seiner am Bahnhofe ein stetiger Empfang und mit den amtlichen Ehrenbezeichnungen einte sich der “Hurra” ruf der dicht gedrängten Menschenmassen. Der Bürgermeister Behn, welcher interiministisch die Geschäfte des vor kurzen verstorbenen Oberpräsidenten der Stadt übernommen hatte, begrüßte im Namen derselben den Monarchen mit einer Anrede. Das Gewerk der Stadt, den verdienten Bäckermeister Ockershausen an der Spitze, hatten sich mit Fahnen und Musik zum Empfange des Königs gleichfalls eingefunden. Das Corps der Bürgerkavallerie, zu demselben Zwecke am Bahnhofe aufgestellt, begleitete den Monarchen nach Rainville’s Hôtel, welche, nebst dem daran stoßenden Garten, von dem Besitzer für acht Tage dem Publicum unzugänglich blieb.--

 

Rainvilles Hotel und Garten

Prächtig und geschmackvoll war das Portal des schönen Hauses erleuchtet, als der König hier angekommen ist. Ebenso gab es in der Nachbarschaft nur illuminierte Gebäude, und die loderden Pechkränze im oberen Teil der Palmaille, Altonas schönster Straße,  verbreiteten eigentümliche Schlaglichter durch ihre dampfwirbelnden Flammen. Nach kurzer Erholung empfing der König die Besuche der Autoritäten Altonas und verschiedener angesehener Einwohner der Stadt. Auch einige der Senatoren Hamburgs fuhren bei ihm bereits vor. Der König soll sich mit allen Vorstellenden völlig Ungezwungen und gesellig unterhalten haben, bis er sich in seine Gemächer zurückzog.

 

 

Am nächsten Tage, Dienstag 9.Sept., nahm der König verschiedene der neuen Anlagen und öffentlichen Institute Altonas in Augenschein, auch wurde die Korndampfmühle des Hrn. Lange besichtigt. Ein seiner würdiges Zeichen der Dankbarkeit für geleistete Dienste gab der Monarch, als er die Witwe des hingeschiedenen Oberpräsidenten, des Grafen Blücher-Altona, mit seinem Besuche beehrte. Drei Stunden wurden hierauf wieder der Audienz gewidmet, die Deputation des Hamburger Senates und das diplomatische Corps empfangen. Auch nahm der König Bittschriften, wie mündliche Gesuche mehrerer Hilfefordernden bereitwilligen entgegen. Zur Tafel im Rainvilleschen Hôtel waren zahlreiche Gäste geladen, unter anderem Senator Jenisch aus Hamburg, welcher die mit einem Toast auf das Wohl erwiderte Gesundheit des Königs ausbrachte. Nach der Tafel fuhren die Vornehmen Gäste in das festlich geschmückte Altonaer Stadttheater. Die Aufführung des kaiserlichen Lebensbildes “Stadt und Land” ging ein eigentümlicher Prolog “ Die Insel in der Südsee” vorher. Über Inhalt und Darstellung desselben liegt uns eine wenig schmeichelhafte Schilderung vor. Wilde Südseeinsulaner, die darin mit königl. Dänischen Seeoffizieren zu schaffen hatten, sollen ziemlich zahm und letzteren ziemlich blöder gewesen sein, als eben notwendig war. Der Monarch der Insulaner hatte sich in einem artigen roten Schlafrock gesteckt und eine Dame, von der man nichts weiter Begriff, als sie sich Galanthee nannte, war durch einen ansehnlichen Schnurrbartwuchs allein wild und grimmig anzuschauen. Wahrscheinlich wollte man durch Vorführung dieses Prologes den Altonaern eine schöne Herrschertugend, nämlich die Langmut des Königs bei bestem Lichte zeigen. Dieser Zweck wurde auch erreicht. Der Monarch hatte Alles bis zu Ende mit angesehen, sogar Beifall gegeben, welche natürlich in dem übrigens nicht stark besuchten Hause ein Echo fanden.   Nach dem Theater zeigte sich die Palmaille abermals erleuchtet; ein Bürger französischer Abkunft hatte sein Haus mit roten, blauen und weißen Flammen illuminiert. Auch die jetzt verpönten schleswig-holsteinischen Nationalfarben sollen, an diesem oder anderen Abend irgendwo in Transparent erschienen sein. 

 

Ankunft König Christian VIII. in Hamburg

Am Mittwoch den 10. Sept. wurde der König von vielen bereits während der Tagesstunden in Hamburg erwartet.  So zeigte sich die Börse schon lange vor ihrer Eröffnung gedrängt voll von Neugierigen, und auch an anderen Punkten waren sie Umsonst versammelt. - Der König verweilte noch in Altona, besuchte das Rathaus, hielt auch militärische Inspektion und fuhr dann zur abgenommenen Mittagstafel bei dem reichen Conferencerath Donner auf dessen Landsitze in der Nähe Altonas. Die Vorbereitung zu diesem Diner waren so großartig, daß allein das prächtige Zelt, unter welchem die Herrschaften im Garten speisten, 10.000Mark herzustellen gekosten haben soll. Die Speisekarte, welche teilweise später veröffentlich wurde, bot natürlich eine Auswahl der teuersten und seltensten Delikatessen. Die Stimmung der Bevölkerung Hamburgs war ganz unbestritten eine freudige und den gekrönten Besucher und seine verschiedenen trefflichen Eigenschaften als Mensch und Herrscher ehrende. Sie würde so auch ohne den in unfern verbreitesten Localblatt, den “Nachrichten”, erfolgten Wiederabdrucke des Briefes gewesen des Briefes gewesen sein, welchen der König von Dänemark im Mai 1842 nach empfangener Kunde von dem großen Brandunglück, welches Hamburg betroffen, An den Senat unserer Stadt richtete. Begleitet war dieses, das tiefe, rein menschliche Mitgefühl des Königs bezeugende Schreiben von einem Geschenk von 100.000 Mark wodurch die großartigen Gaben der übrigen Fürsten teilweise gewiß veranlasst wurden, denn was bewirkt nicht ein solches Beispiel?

 

Mit der hereinbrechenden Dämmerung des 10.Sept. wogte es zwischen Altona und Hamburg in unübersehbaren Volkszügen auf und ab. Der König sollte um 7 Uhr in das Hamburger Stadttheater kommen, wo er die Oper “Stradella” oder des Sophokles “Antigone” zu sehen gewünscht hatte. Für die altgriechische Tragödie besitzen wir augenblicklich nicht genügend Darstellerin der Titelrolle, und so wurde die hier sehr beliebte Flotow’sche Oper gewählt. - Schon vier oder fünf Tage vorher waren alle bestellbaren Plätze in unserem großen Stadttheater für diesen Abend vergriffen, so viel Interessantes erwartete man von ihm. Doch wir müssen uns noch für einige Augenblicke vom Stadttheater zurück nach dem Millerntor wenden. Der königliche Wagen wurde beim Anlangen auf hamburgischen Gebiet von einer Abteilung unserer Dragoner bis zum Tor begleitet. Von hier aus ritten der Oberst Schohl – welcher vor kurzem sein 50jähriges Jubiläum als Soldat gefeiert – und Major Heinze dem Monarchen entgegen. Erster teilte demselben die Parole des Tages mit. Die auf dem Walle postierten Kanonen begrüßten den gekrönten Gast mit 31 Schüssen, während Syndikus Sieveking in Namen der Stadt denselben am Tor, wo auch eine Abteilungen der Garnison aufgestellt war, mündlich zukommen hieß. Dazwischen schallte der Jubelruf der Menge, durch deren bis zu weiter Ferne hin gebildete Spaliere der König im offenen Wagen, an seiner Seite den Prinzen Statthalter der Herzogtümer, über Zeughausmarkt, neuen Steinweg, Großneumarkt,  den alten Steinweg, Neuen Wall, Jungfernstieg und Gänsemarkt nach dem Stadttheater fuhr. 

 

Gedränge am Eingang vom Stadttheater

An verschiedenen Punkten hatte schon jetzt die Beleuchtung begonnen, doch wurde sie ungleich glänzender mit dem vorrückenden Abend. Vor dem Stadttheater zeigte sich ein so reges Drängen und Treiben, daß die Polizei ihre liebe Not mit der Aufrechterhaltung der Ordnung hatte. Endlich rollte die Königliche Equipage vor.  Ein lautes “Hurra” begrüßte den König beim Aussteigen und während er die Treppe zum ersten Rang hinaufschritt. Schon das Vestibül des Hauses war durch helle Erleuchtung und aufgestellten Blumenflor festlich geschmückt. Ebenso war der zur Loge des Monarchen führende Korridor geschmackvoll dekoriert du die Loge selbst mit rotem Samt ausgeschlagen. Vertreter des Rates empfingen den König bei seinem Eintritt, und in demselben Moment erhob sich, während in den Rängen alles aufstand, ein dreifaches donnerndes “Lebehoch”, in welches das Orchester einstimmte und worauf der so Gefeierte mit wiederholten Verbeugungen dankte. Die Mitglieder des diplomatischen Corps und der Stadtbehörden, wie auch viele Militär- und Zivilbeamte waren größtenteils en grande tenue und glänzend feingemachte Damen begegneten dem Auge überall, wohin es in den Rängen schweifen mochte. Selten hat das Stadttheater seit seinem 19jährigen Bestehen – an dieser Stelle – ein so ausgewähltes und geschmücktes Publikum in seinen Räumen versammelt gesehen – denn die Sitte, sich für den Theaterbesuch besonders sorgfältig anzukleiden, hat nie in Hamburg geherrscht.- Die Oper ging in den meisten Teilen vorzüglich. In einem der Zwischenakte ließ daher der König die beiden Direktoren des Stadttheaters, die Herren Mühling und Cornet zu sich bestellen und äußerte sich schmeichelhaft dankbar für den gefundenen Genuß. Die Flotowsche Musik war dem König noch gänzlich unbekannt gewesen. Bald nach 9 Uhr war die Vorstellung beendet und durch eine Menschenmasse, die sich seit seiner Ankunft in Hamburg noch verzehnfacht zu haben schien, fuhr der König, diesmal im geschlossenen Wagen, nach Rainville’s Hôtel zurück. Nach einem alten hamburgischen Gesetze dürfen die Kanonen auf dem Walle nach eingebrochener Dunkelheit nicht mehr gelöst werden; man blieb daher dem dänischen Monarchen die Salutschüsse bei seinem Wegfahren aus der Stadt bis zum nächsten Morgen schuldig, wo sie schon gegen 5 Uhr abgefeuert wurden. In Hamburg aber blieb es am Abend des 10. September fast bis Mitternacht erstaunlich lebendig in allen Straßen, namentlich in den illuminierten. Besonders tat sich der Jungfernstieg mit seiner hellerleuchteten imposanten Häuserreihe hervor. Der Schweizerpavillon des Herrn  Dürst und die Halle an der Alster der Herren Giovannoly u. Comp., endlich das Victoria Hôtel, aus dessen Fenstern große wehende Fahnen mit dem hamburgischen und dänischen Wappen hingen, waren wieder die besonders hervorstechenden Punkte der prächtigen Straße. Wenn wir erzählen, daß trotz ihrer Breite es unmöglich blieb, von der Stelle zu kommen, ohne fortwährend gestoßen und gedrängt, ja fortgeschoben zu werden, so geben wir am leichtesten einen annähernden Begriff von der ungeheuren Volksmenge, welche an diesem Abend in der guten neugierigen Stadt Hamburg auf den Beinen war. Kleine Lampen, bengalische Flammen, Pechkränze, Wachs- und Talglichter waren die verschiedenen Beleuchtungsmittel in den Straßen und Häusern. Doch daß die Transparente, welche man hier und da erblickte, besonders sinnreich gewesen wären, lässt sich nicht hinzufügen, wie die folgenden Verse bezeugen:

 

Hoch lebe Christian der achte

Der Hamburg – in der Schreckenszeit -

Als Freund und Helfer treu gedachte!

oder:

Wer war’s, der Hamburg treu bewachte (?)

In jener großen(!) Schreckenszeit ?

Es war Christian der Achte,

Drum heut’ ihm jedes Glas geweiht! -

 

Den Hamburgern wurde übrigens an diesem denkwürdigen Abend eine besondere Freude beschert: eine Freiheit, nach der sie sich sonst, trotz alles Schreibens und Redens, vergebens sehnten, - sie durften nämlich bis Mitternacht durch das Millerntor ohne Sperrgeld zu zahlen, aus und eingehen.

 

Sillems Bazar

Am nächsten Tag, dem 11. September, wollte der König, in strengem Inkognito, die Neubauten Hamburgs in Augenschein nehmen; doch nichts half die Einfachheit seiner Kleidung und die unscheinbare zweispännige Equipage. Man erkannte ihn überall, man drängte sich in fast unanständiger Neugier zu seinem Wagen und ließ mit dem “Hurra” Ruf, dem Schwenken der Hüte und Mützen gar nicht nach, so das die Sache oft nahe in das Lächerliche und Ärgerliche ging .

 

Es wurde z.B. dem König geradezu unmöglich gemacht, den Bazar des Herrn Sillem, diese Perle des neuen Hamburgs und seiner Prachtgebäude, mit einiger Ruhe zu sehen. Die Menschenmassen umgab ihn so von allen Seiten, während er die seit unserem Bericht über den Bazar sehr beliebt gewordene Passage desselben durchschritt, daß der König in keinem der Läden eintreten konnte, hätte er es auch gewollt. Außer dem Bazar sah sich der König in Begleitung des Senator Jenisch und des Ingenieurs Lindley die Reesendamms-, die Mühlen-, Brüsen- und Schleusenbrücke an. Die Schleusenbrücke, deren Treppen er hinunterstieg, erregte durch ihre ebenso sinnreiche wie eisenfeste Konstruktion, die Bewunderung des Monarchen.

 

 

Gärterei Booth in Nienstedten

Auch an der Börse erschien er, doch vor der eigentlichen Geschäftszeit, wahrscheinlich um keine Störung zu verursachen. Der König äußerte sich auf das schmeichelhafteste über den hamburger Neubau. Auch zum Hammerbrook fuhr er hinaus und ließ sich über die projektierte Vergrößerung des Eisenbahnhofes Mitteilung machen und besichtigte auch die Wagenfabrik der Herren Croissant und Lauenstein. Ehe der Monarch zur Tafel bei dem Senator Jenisch fuhr, hatte er in hiesigen großen Etablissements, z.B. Der Herren Andrew Israel und Comp., Hagedorn, Commeter u. A. nicht unbedeutende Einkäufe gemacht. - Die Flottbeker Baumschule des Hrn. Booth, wo dem König so manche Überraschung bereitet wurde, erfreuten sich seines Besuches ebenfalls. Das an der Tafel des Hrn. Senators Jenisch nur von Gold gespeist wurde, das auch hier ein großartiger Luxus mit der Zahl und der Seltenheit der Gerichte sich vorfand, wie hiesige Blätter erzählten, wollen wir bei dem kolossalen Reichtum und dem Ansehen des Wirtes gern glauben. Dem König zur rechten saß die würdige Hausfrau Senatorin Jenisch viele Mitglieder der Staatsbehörden und des Diplomatischen Corps waren geladen.

Um die Geduld der Leser nicht zu ermüden, wollen auch kurz erwähnen, das Abends gegen elf Uhr dem König, der noch ein Souper bei seinem hiesigen Ministeresidenten, dem Kammerherrn von der Bille, auf der Esplanade, angenommen hatte, von der hier bestehenden Scandinavischen Gesellschaft ein wohlgeordneter Fackelzug gebracht wurde. Ein dänisches Lied, welches angestimmt wurde, schien schlecht eingeübt und verstummte bald wieder; hingegen stimmte die neue Volksliedertafel, unter Direktion des Hrn. Kröger, die mit dem Banner gleichfalls nach der Esplanade gezogen war, ihren Gesang gar kräftig an. Eine Deputation derselben, den Direktor an der Spitze, wurde vom König sehr freundlich empfangen. Später erschien der Letztere an der Tür des Hauses, wurde mit einem dreifachen “Hurra” empfangen und dankte in dänischer Sprache “seinen lieben Landsleuten” für die dargebrachten Beweise ihrer Gesinnungen für ihn. Auch drückte der König seine Freude darüber aus, daß es den Dänen gut geht in Hamburg, und wünschte, daß sich dieselben ferner mit ihm vereinigen würden, das schöne Dänemark und Hamburg bestehende Verhältnis zu erhalten und zu festigen.- Auch in deutscher Sprache sprach der Monarch seinen warmen Dank aus und Wünsche für das Wohl Hamburgs beurkundete Worte, die natürlich mit Jubel vernommen wurden. - Im guter Ordnung ging der Zug, der sich am Dänischen Posthause gesammelt hatte, nach dem Gänsemarkt zurück, wo die Fackeln unter Musik gelöscht wurden. - Um 1 Uhr nachts fuhr der Monarch über den Wall nach Altona zurück und um zehn Uhr des nächsten Morgens auf der Eisenbahn nach Kiel, wohin wir ihn jedoch mit unserer berichtenden Feder nicht folgen können.

 

Das Andenken an diesem Besuch wird noch lange bei den Hamburgern lebendig bleiben.

 

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