Die auf dem 85 Meter hohen Süllberg zu Ende des 11.]ahrhunderts angelegte Burg, die Erzbischof Adalbert zusammen mit einem Kloster anlegen ließ, scheint das früheste
Zeugnis einer
Bebauung Blankeneses zu sein. Die Anlage wurde bald durch Kriegswirren zerstört. Als Dorf wird Blankenese - der Name meint eine blanke Bergnase - erstmals 1302 erwähnt; hier bestand
eine wichtige Fährverbindung (an der Stelle des alten Fährhauses steht heute „Sagebiels Fährhaus“) zum gegenüberliegenden
niedersächsischen Ufer mit den Dörfern Cranz und Estebrügge. Von der Hamburg bedrückenden Franzosenherrschaft (von 1806 bis 1814) konnte das dänische Blankenese insofern profitieren, als sich seine
Fischer der einträglichen Frachtschiffahrt zuwandten. Später wurde der Ort ein überaus beliebtes Ausflugsziel für die Hamburger; deswegen konnte auch schon 1838 mit dem Bau einer Gastwirtschaft auf
dem Süllberg begonnen werden.
Der Standort des Zeichners Christoffer Suhr läßt sich genau lokalisieren: Es ist der Landsitz des Hamburger Kaufmanns Rütger Heinrich Klünder (heute: Oesterleystraße 20), der sich hier 1799 ein
schlichtes Landhaus bauen ließ. Der Besitz ging 1856 an den Hamburger Syndikus Dr. Carl Hermann Merck; 1876 erwarb ihn der Kaufmann Georg Heinrich Hesse. Seit 1926 ist der Landsitz Klünders Eigentum
der Gemeinde Blankenese; der Park ist seither eine öffentliche Grünanlage, das Haus, mehrfach umgebaut.
Wie Suhrs Graphik zeigt, bestand Blankenese damals (1812) aus nur wenigen, zwischen großen Bäumen gelegenen Häusern. Ein breiter Sandhohlweg führt hinab zur Elbe, auf der trotz der zu jener Zeit herrschenden Seeblockade noch etliche Segler unterwegs sind. Daß der Ort in den folgenden Jahren des Friedens und des wirtschaftlichen Wiederaufschwungs wuchs, bestätigt uns ein Bericht des Engländers James Edward Marston (1834):
„Blankenese in der Herrschaft Pinneberg liegt malerisch schön, teils auf dem hohen Elbufer, teils mit pittoresken Tiefen und Tälern, die auf eine sehr eigentümliche Art von der Natur selbst angeordnet sind. Der Ort ist eine gute Meile von Hamburg entfernt, wird einzig und allein von Schiffern, Lotsen und Fischern bewohnt, so daß keine Landwirtschaft bei ihnen stattfindet. Er enthält mehr als 3000 Einwohner, die über 200 Ewer und Fahrzeuge in stetem Gebrauch haben. Der Blankeneser Fischer wirft seine Netze an der holländischen Küste aus, und nachher, so wie ihm Wind und Wetter günstig ist, verkauft er seinen Fang nach England und Holland, hauptsächlich aber nach Hamburg, weil der Westwind immer der herrschende ist.“
Blankenese - »dieses am hohen Elbufer 11/4 Meilen westlich von Altona romantisch gelegene Dorf wird größtentheils nur von
Schiffern, Fischern und Lotsen bewohnt« - wurde schon früh mit großer Vorliebe von Hamburger Malern aufgesucht. Die Lage des Dorfs am Strand und am schluchtengegliederten Hang, die dazu
kontrastierenden, damals noch weitgehend kahlen, nur mit etwas Heide bestandenen Geesthöhen - allen voran der 85 m hohe Süllberg -, der hier nach dem Zusammenfluß von Norder- und Süderelbe sich auf
stellenweise mehr als 2,5 km Breite weitende Strom, der rege Schiffsverkehr auf dem Wasser und am Strand das durch die farbenfreudigen Trachten noch besonders anziehende Volksleben, das sich
vielfach, wie in Fischerdörfern üblich, draußen vor den Häusern vollzog, schließlich die günstigen Verkehrsverbindungen von Altona und Hamburg über eine 1830 angelegte Chaussee mit regelmäßig nach
Fahrplan verkehrenden Kutschen oder mit
dem Dampfschiff auf der Elbe, all das machte den Ort äußerst anziehend für Maler. Um 1850 waren hier 70 Fischewer beheimatet und 168 Frachtschiffe, darunter 5 Briggs, 4 Schoner-Briggs und 87 Schoner.
Zudem gab es 5 Jachten für die Seelotsen und 6 Torfschiffe. Die 1855 erschienene Topographie von Schröder und Biernatzki, aus der auch das Zitat von oben entnommen ist, vermerkt dazu: ››Die Fischerei
von Butten, Schollen, Seezungen, Schell-
fischen, Roggen (= Rochen), Stinten wird das ganze Frühjahr und den Sommer hindurch, theils in der Elbe, theils an der holländischen und westjütischen Küste betrieben, und der Fang größtentheils in
Hamburg, Altona, im Sommer aber auch auf holländischen und englischen Plätzen zu Markte gebracht.« ››Die hiesigen Schiffer, die sich durch Muth und Gewandtheit auszeichnen, befahren alle Häfen der
Nord- und Ostsee und des Mittelmeeres, auch amerikanische Häfen, besonders aber die Seestädte Englands und Hollands.« Allerdings: »Es ist eine große Unbequemlichkeit, daß Blankenese keinen
Hafen hat, die Ewer müssen daher auf dem freien Strande liegen, weshalb sie bei starken Stürmen und Eisgängen oft zu Grunde gehen. Das Fahrwasser der Elbe geht hier nahe am
Strande vorbei, und dieser, von dem schon vieles weggespült ist, muß an einigen Stellen durch Anpflanzungen und künstliche Mittel geschützt werden.«
Adolf Vollmer wurde 1806 in Hamburg geboren und erhielt hier auch seine erste Ausbildung bei Christoffer Suhr, mit dessen Bruder er eineinhalb Jahre lang reiste, bevor er bei Friedrich Rosenberg in Altona weiterlernte. Zusammen mit dem ein Jahr älteren Christian Ernst Morgenstern hielt er sich seit 1826 mehrere Sommermonate Iang auf dem Landgut Rothenhausen, einem Meierhof von Gut Groß Schenkenberg, 12 km südwestlich von Lübeck, als Gast Carl Friedrich von Rumohrs (1785-1843) auf, dem damals etliche hamburgische und schleswig-holsteinische Künstler Förderung und - vorwiegend theoretische - Unterweisung verdankten. Rumohr legte größten Wert auf das unmittelbare genaue Naturstudium, dessen Ergebnisse, Zeichnungen und Ölstudien, allerdings nur die Voraussetzung sein sollten für das im Atelier zu leistende Zusammenbauen eines Gemäldes mit Überlegung von
»einem höheren und poetischen Standpunkt« aus zu einem vollkommenen Landschaftsbild, in dem alles Zufällige, alles topographisch Einmalige zu vermeiden und nur das
Allgemeine festzuhalten sei. Diese Trennung behielt Vollmer auch nach dem sich 1831 bis 1833 anschließenden, von Rumohr empfohlenen Studium an
der Kopenhagener Akademie unter Christoffer Wilhelm Eckersberg (1783-1853) bei. Es folgten sechs Jahre Aufenthalt in München mit Reisen nach Tirol, Salzburg, Italien, Frankreich und Holland, bis er
sich ab 1839 in Hamburg niederließ. Hier hat er sich bis zu seiner Erblindung 1866 als Landschafts- und Marinemaler, Radierer und Lithograph betätigt.
Besonderen Anklang fand er in Hamburg - verständlicherweise - mit seinen Marinemalereien, die zu den bestenjener Zeit gehören. Grundlage bildeten wie für seine
Landschaften hervorragend exakt gezeichnete und aquarellierte Studienblätter, von denen viele bewahrt blieben. In seiner Malerei gehört er, ganz sicher beeinflußt von Eckersberg, zu den Bahnbrechern
des frühen malerischen Realismus in Hamburg, dem er unter Meldung von
unwahrer Romantik und Pathos stets treu blieb. Dieser Realismus bedeutete zugleich Anknüpfen an die große Tradition der niederländischen Landschafts- und Seemalerei des 17. Jahrhunderts.
››Die Elbe bei Blankenese« ist eines von Vollmers besten Werken. Dorf und heidebewachsene kahle Hügelhänge, bei denen man im Hintergrund die Steilküste von
Wittenbergen erahnt, sind nur angedeutet. Es ist Ebbe. Der Wind kommt aus Südwesten. Die trockengefallenen plattbodigen
Ewer werden entladen. Eine Hamburger
Brigg kommt in dem dicht vorbeiführenden Fahrwasser mit geblähten Segeln stromaufwärts; eine Kuff, jenes Fahrzeug ursprünglich niederländischer Bauart mit rundem Bug
und Heck, segelt ihr entgegen, wenngleich hier der Kompositionswille den Wind ein wenig ››überlistet« hat. Man spürt die Frische des Windes und Meeresnähe durch den Gang von Wolken und Wellen und das
Blähen und Flattern der Segel. Die Spiegelungen des Wassers und das mit den Wolken wechselnde, scheinbar auch auf dem Gemälde wandernde Licht sind viel wichtiger als das nur zurückhaltend
wiedergegebene Agieren der Personen. Durch den Wechsel beschatteter und beleuchteter Zonen wird der Blick in die Tiefe geführt. Versatzstücke wie der Anker vorn rechts, die Pfähle vom links und das
Vorder-
grundmotiv des Strandgrases dienen dazu, daß sich dahinter der Bildraum in der Mitte weitet, und die Biegung des hellen Wittenbergener Ufers nach links führt die Hügelstaffel vom rechten Bildrand dem
Horizont zu, so das Bild nach hinten unter Wahrung der Tiefe abschließend. Das ist jene Kompositionskunst auf der Basis exaktester Naturstudien, die Rumohr gefordert hatte, die bei aller
topographischer Treue über die lokale Bindung an das Motiv hinausführt zugunsten eines allgemeinen Landschaftserlebnisses am Küstensaum, an dem Land, Meer und Himmel ineinander übergehen, und Öffnung
in die Ferne wie Aufnahme der Heimgekommenen die Gedanken bestimmen.
Natürlich sind heute die Fischewer und Frachtensegler verschwunden, und der Strand von Blankenese wird von der Schiffahrt nicht mehr genutzt. Auch ist der Strandweg
von neueren Wohnhäusern gesäumt, die mit dem älteren Blankenese oft nur noch wenig gemein haben. Dennoch hat sich der heute zu Hamburg gehörende Ort viel von seiner Atmosphäre bewahren können, und
ähnliche Stimmungen wie auf Vollmers Gemälde lassen sich auch heute
noch - allerdings mit Containerschiffen und anderen modernen Frachtern, gelegentlich auch Passagierschiffen und Sportsegelbooten - erleben.
Der 1768 in Altona geborene, in Altona lebende und wirkende
Kaufmann Georg Friedrich Baur kaufte zwischen 1802 und 1817
elf Grundstücke am Elbuferhang, die er durch den zeitweise in
Hamburg tätigen französischen Baumeister und Gartenarchitekten
]. J. Ramée zu einem einzigen großen Park gestalten ließ. Beson-
dere Akzente dieses Parks waren der „Kanonenberg” (von hier aus wurden die elbaufwärts und elbabwärts fahrenden Schiffe der
Firma Baur mit Salutschüssen begrüßt), der „japanische
Schirm", das „Zypressental”, die „Waldhütte”, der „Birkenhain”, der „Chinesische Turm” und der „Gotische Turm", eine künstliche Ruine im westlichen Teil des Parks, wie man sie damals liebte. Im Park,
dessen Sandboden eine Erdschicht bekam, die mit Schiffen aus dem Alten Land geholt werden mußte, standen Treibhäuser, in denen Wein und Ananas gezogen wurden, und eine Orangerie.
Der Architekt Hans Ferdinand Luthmer schreibt 1828 in einem Brief: „In dem berühmten Baurschen Garten, wo der reiche Besitzer durch unermüdeten Kraft- und Kostenaufwand den unvergleichlichen
Naturanlagen mächtig zu Hilfe gekommen und der in den Sommermonaten sonntäglich von Hunderten Fremden und Einheimischen besucht wird (die am Eingang ihren Namen in ein Buch schreiben und eine
Kleinigkeit Entree erlegen müssen), tummelten wir uns mehrere Stunden lang fröhlich umher. - Indem wir im niedrigen Tale zwischen Obstpark, Lauben und Eremitagen umherwandeln, ragt in einiger
Entfernung vor uns auf hohem Hügel über dunkles Laubholz die (nachgeahmte) Ruine einer alten Ritterburg hervor, und
in des Hölzchens kühlendem Schatten fühlt man sich in der ersten Überraschung von ernstem Schauer der Vorzeit
ergriffen. - Da blinkt in weiterer Ferne, auf freundlicher Anhöhe, vom schmückenden Grün umgeben, ein reich
gezierter chinesischer Turm herüber, und auf entlegenem Ufer der Elbe gibt ein steinerner dorischer Tempel ein freundlich ernstes Bild gegen des Athers heiteres Blau."
In diesem Park ließ sich Georg Friedrich Baur von 1829 bis 1836 von dem in Hamburg lebenden dänischen Architekten Ole Jörgen Smith und ]ohann Matthias ein klassizistisches Landhaus erbauen mit englischem Mobiliar und Skulpturen des dänischen Bildhauers Hermann Wilhelm Bissen. Als Georg Friedrich Baur - der einen großen Teil der Wohnhäuser an der Palmaille einheitlich hatte errichten lassen - 1865 im Alter von 96 Jahren starb, erbte den Besitz sein gleichnamiger Sohn (1802 bis 1887), dann dessen Sohn, der - wie Vater und Großvater - ebenfalls die
Vornamen Georg Friedrich führte (1843 bis 1921). Der Architekt Franz Bach kaufte 1922 den Besitz, der 1939 vom Hamburger Staat erworben wurde.
Der größte Teil des Parks konnte als öffentliche Anlage erhalten werden, das übrige wurde zwischen 1922 und 1937 parzelliert.