Ueber die Pläne für Stadt- und Vorortbahnen

Auszüge aus der Deutschen Bauzeitung von 1903 über die Pläne und Planspiele zum aufbau des Öffentlichen Nahverkehrs in Hamburg. 

Zur Zeit liegt nur der Schluss vor, wird aber sobald vorhanden um den Anfang ergänzt.  

Deutsche Bauzeitung 1903 

Die konstruktive Durchbildung der Schwebebahn zeigt gegenüber der Anlage in Barmen-Elberfeld manche Neuerungen, Welche sich teils schon während des Betriebes der Elberfelder Strecke, teils bei dem Weiterbau nach Barmen als zweckmässig herausgestellt haben, teils durch Hrn. Petersen eingeführt sind. Es sei daher auch hierüber noch einiges mitgeteilt.

Die tragende Konstruktion der Schwebebahn ist bekanntlich derart ausgebildet, dass die Schiene jedes Gleises unmittelbar auf dem Schienenträger aufliegt und mit diesem fest verbunden ist. Der Schienenträger ruht auf Konsolen des Hauptträgers, der seinerseits schliesslich von Stützen oder Portalen getragen wird. Da die Schienen unmittelbar auf dem Schienenträger ruhen, können sie an den Stössen verschweisst werden und erfordern nur, ebenso wie die kontinuierlich durchlaufenden Träger alle 200-400m eine Ausgleichfuge für die Wärme-Ausdehnung, die mit Schienenauszug überdeckt wird. In diesem durchlaufenden Schienenstrang ist z. T. das sanfte Fahren auf der Schwebebahn begründet. Aus der seitlichen Aufhängung der Schienenträger an den Hauptträger entsteht natürlich eine exzentrische Belastung letzterer, der durch die besondere dreiwandige

Trägerform begegnet wird, wie sie Rieppel für Barmen- Elberfeld konstruiert hat. Bei diesem Träger werden die infolge der exzentrischen Lage der Last auftretenden Drehmomente von einem wagrecht liegenden Träger aufgenommen, ohne eine wesentliche Zusatzbelastung der lotrechten Tragwand hervorzurufen. Für Hamburg kommt ausser dem Rieppelträger noch ein von Petersen auf ähnlicher Grundlage konstruierter steifer vierwandiger Träger mit offenem oder auch mit steifem Querrahmen zur Anwendung. Die beiden Systeme sind in der Abbildg. 4a, b und c wiedergegeben.  

Da der Rieppelträger ziemlich unempfindlich gegen etwaige Fundamentsetzungen ist, so kommt dieser bei Ueberbrückung von unzuverlässigem Untergrund hauptsächlich infrage, wobei die Brücken selbst als einfache Balken aufgelagert werden sollen. Das System Petersen setzt unnachgiebige Fundamente voraus, wird also hauptsächlich dort anzuwenden sein, wo die Stützen als Portalbögen auf den Kanten der Bürgersteige stehen. Diese Brücken werden alsdann zweckmässig als kontinuierliche Träger in der ganzen Länge zusammenhängend ausgebildet. Auch ist beabsichtigt, den Bahnkrümmungen mit einem im Grundriss gebogenen vierwandigen Träger zu folgen. Statische Bedenken liegen hiergegen nicht vor, wohl aber dürfte hierdurch gegenüber der polygonalen

Führung der Tragwände wie in Elberfeld eine günstigere ästhetische Wirkung erzielt werden.

Die Uebertragung der in dem Viadukt wirkenden Längskräfte geschieht durch die Schienenträger, die ebenso wie die Brücken an denselben Stellen wie die Gleise, also in Abständen von zoo-4oo H1, eine Ausgleichfuge für die Wärmeausdehnung erhalten, während die Uebertragung der Längskräfte auf die Fundamente durch die mit Kugelgelenken ausgestatteten Stützen erfolgt.

Die Stützenform wird in jedem Falle dem Strassen-Querschnitt angepasst. In engeren Strassen und in Strassen mit Bäumen kommen Portalstützen, in breiten Strassen und auf Plätzen Einzelstützen vor. Auch in den Fleeten ist die Stützenform von der Breite derselben abhängig. Die Fundierung der Stützen in der Elbmarsch und in den Kanälen benötigt Pfahlrammungen mit Beton- und Quader-Abdeckungen. Um in den Fleeten die Schiffahrt möglichst unbehindert zu lassen, sind hier die Stützen in der Breite tunlichst beschränkt. Ueber den Isebeck-Kanal werden ähnliche Stützformen wie in Elberfeld gewählt, hier liegen die Fundamente in den Böschungen. Bei allen Stützen ist eine architektonische Ausschmückung in Aussicht genommen. Der Aufwand an architektonischer Ausschmückung der Haltestellen wird sich naturgemäss nach der örtlichen Lage richten. Die unten stehende Abbildung zeigt den Entwurf der Haltestelle Reeperbahn und gibt ein Bild von der geplanten Ausstattung der Haltestellen in der Stadt.

 

Bei der Einrichtung der gesamten Anlage ist auf eine Fahrgeschwindigkeit von 5o km in der Stunde Rücksicht genommen. Die Anlagekosten für den Bau der zunächst vorgeschlagenen 21,2km langen Strecken mit voller Betriebsausrüstung belaufen sich auf 35.5 Mill. M.

Ueber die wirtschaftliche Grundlage des Unternehmens seien noch die hauptsächlichsten Angaben gemacht. Zum Zweck des Baues und der Betriebsübernahme der Vorortbahn nach dem Schwebebahn-System soll eine Aktien- Gesellschaft in Hamburg mit einem Kapital von 10 Mill. M. gegründet werden, welches von der Kontinent. Ges. und von den Hamburger Elektrizitätswerken aufzubringen ist. Für den Rest der Bausumme sollen Obligationen in zwei Serien von je 125 Mill. M. ausgegeben werden. Die Konzessionsdauer soll 90 Jahre betragen, nach welcher die gesamten Anlagen mit dem Wagenpark an den Staat fallen. Nach 15 Jahren steht aber schon dem Staat das Erwerbsrecht unter gewissen Bedingungen zu; der festzustellende Erwerbspreis soll aber dann mindestens 140 % vom Nennwert des Aktien-Kapitales betragen. Verlangt werden ferner die freie Ueberlassung des Grund und Bodens an die Gesellschaft durch den Staat und eine gewisse Zinsgarantie.

Der schon erwähnte, vorläufig bekannt gegebene Beschluss des Bürgerschafts-Ausschusses stellt beide Entwürfe dem Senate zur Prüfung zu und spricht sich dabei gleich für den geeigneten Anschluss der Stadtteile Eimsbüttel, Hammerbrook und Billwärder-Ausschlag aus. Es soll ein Einheitstarif von 10 Pfennig für die III. Klasse und 20 Pfg. für die II. Klasse angestrebt werden. Ausserdem sollen noch Arbeiterzüge zu billigen Tarifen abgelassen, Rückfahrkarten zu 10 Pf. eingeführt, sowie Wochenabonnements zu 1 M. und Monatsabonnements zu 3 M. ausgegeben werden. Bezüglich der Schwebebahn, die nach diesen Beschlüssen keinesfalls auf eigene Rechnung des Staates gebaut werden soll, wird ein Ankaufsrecht nach längstens 30 Jahren vorbehalten und zwar zu Bedingungen, die nicht ungünstiger sein dürfen, als sie im preussischen Kleinbahngesetz vorgesehen sind. --

 

Das ist der augenblickliche Stand der für die Verkehrs- Entwicklung Hamburgs hochwichtigen Frage.

 

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