Mein altes Hamburg

Andreas Pfeiffer

22587 Dockenhuden/Elbe 

Das Hamburger Rathaus

Entwurf, Bau und Ausführung  -  Berichte aus der Deutschen Bauzeitung jener Jahre 

 

Der neue Entwurf zum Bau des Hamburger Rathauses

Architektur Entwurf des Hamburger Rathauses 1885

Seitdem das ehrwürdige alte Rathhaus Hamburgs in dem Stadtbrande von 1843 untergegangen ist, haben bekanntlich die Bestrebungen nicht geruht, zum Ersatz für dasselbe einen neuen, der gegenwärtigen Bedeutung der würdigen Monumental- Bau auszuführen. Zur Erlangung eines geeigneten Entwurfs sind zwei Mal - in den Jahren 1854 und 1876 öffentliche Preisbewertungen  veranstaltet worden; zahlreich und sehr mannichfache Lösungen der interessanten Aufgabe wurden nebenher von verschiedenen Architekten aus eigenen Antriebe versucht. Noch niemals ist jedoch bisher einen der bezüglichen Vorschläge vergönnt gewesen, das Ziel zu errreichen, zu welchem gegenwärtig der von 8 Hamburger Architekten der Hrn. Grotjahn, Haller, Hanßen, Hauers, Lambrecht,Meerwein Stammann und Zinnow gemeinschaftlich bearbeitete Entwurf gelangt ist. Der vom Senat und Bürgerschaft nieder gesetzte Ausschuss hat ihn diesen beiden körperschaften einstimmig zur Ausführung empfohlen. Noch niemals sind demzufolge jene Bestrebungen der Verwirklichung näher gewesen. 

 

Bei der Aufmerksamkeit, mit der wir die Angelegenheit des Hamburger Rathausbaues von jeher verfolgt haben, dürfen wir darauf Verzichten, den in seinen Angängen beinahe schon  der Geschichte angehörigen Verlauf derselben, den der uns vorliegende  Bericht des genannten Ausschusses übersichtlich zusammen fasst, hier nochmals in allen einzelheiten vorzuführen. Nur auf die Mitteilungen über die zwischen der Entscheidung der letzten Preisbewerbung und der Gegenwart liegenden Vorgänge wollen wir in Kürze eingehen, weil dieselben zum ersten Male in zuverlässiger  Weise den Standpunkt klar stellen, von welchem die Vertreter  des Hamburger Staates bei der bisherigen  der Sache ausgegangen sind.

Obwohl das Preis- Ausschreiben von 1876 den Verfassern des preisgekrönten Entwurfs keineswegs den Auftrag zu Erbauung des Rathauses zugesichert hatte, und obwohl schon gelegentlich der Preisbewerbung gewichtige Einwände gegen Zweckmäßigkeit des ihr zu Grunde liegenden Programms und der Vorschläge  zur Abänderung desselben zum Ausdruck gelangt waren, so hielt doch der Ausschuss an seiner Absicht fest, den siegreichen Plan von Mylius & Bluntschli der Verwirklichung entgegen zu führen und trat daher mit diesen Architekten - zunächst wegen Anfertigung neuer Façaden - Zeichnungen - Verhandlung. Wir erfahren aus dem Bericht, dass seitens der Hrn. Mylius & Bluntschli noch im Herbst 1876, sodann im Frühjahr und zu einer mündlichen Verhandlung am 31.Mai 1877 entsprechende neue Skizzen vorgelegt worden sind, die jedoch sämmtlich den Wünschen des Ausschusses nicht entsprachen. Aus den weiterhin eingelieferten Zeichnungen wurde demnächst eine gefälliger als der ursprüngliche Entwurf erscheinende Skizze ausgewählt, die jedoch eine Veränderung des Grundrisses und in Folge dessen eine Neubearbeitung des ganzen Plans bedingte; eine solche wurde seitens der Architekten im Herbst 1877 eingeliefert.

 

Während der Ausschuss hoffte, in diesem neuen Entwurf eine für die Ausführung des Baues geeignete Grundlage gewonnen zu haben, sprach sich jedoch der zu einem Gutachten aufgeforderte Baudirektor Hr. Zimmerman gegen denselben aus, indem er namentlich die mit Rücksicht au die Façaden bewirkten  Änderungen des grundrisses und der Innen- Architektur als nicht glücklich bezeichnete. Da die Hrn Mylius & Bluntschli in den wesentlichsten Fragen bei ihrer Ansicht verharrten, so war es Absicht, ein weiteres Gutachten eines oder mehrer hervor ragenden deutschen Architekten einzubeziehen, als im Dez 1880 - bis dahin hatten die bezgl. Verhandlungen sich ausgedehnt - 9 angesehene Hamburger Architekten einen von ihnen auf den völlig neuer Grundlage bearbeiteten Plan vorlegten, der seitens des Senats und der Bürgerschaft dem Ausschuss zur Prüfung Berichterstattung übergeben wurde.  Es wurde beschlossen, gleichzeitig ein Gutachten über diesen Entwurf zu erbitten undd zwar wurden als Sachverständige hierzu die Hrn. Oberbrth. v.Egle in Stuttgart ( einer der Preisrichter in der Konkurrenz von 1876) und Hr. Prof. Brth. Ende in Berlin ausersehen. 

 

 

Ihr - nach einer im November 1881 in Gemeinschaft mit dem Ausschuss abgehaltenen Sitzung in voller Übereinstimmung erstattetes - Gutachten lautete in Betreff des Entwurfs von Mylius & Bluntschli dahin, dass derselbe dem älteren preisgekrönten Pläne der beiden Architekten nicht gleichwerthig sei und zur Ausführung sich nicht eigne. Die wesentlichste Schuld daran trage das Programm, das die Unterbringung von zu viel Behörden in einem Hause verlange; die hierdurch bedingte Größe des Gebäudes stehe namentlich in ungünstigem Verhältnis zu seiner Umgebung und beeinträchtige auch die Möglichkeit genügender Lichtzuführung in dasselbe. Dem Plane der 9 Hamburger Architekten wurde in allen beziehungen ein entschiedener Vorzug zugestanden und dem Gedanken der grundrissbildung desselben grßes Lob ertheilt, während dagegen gegen die Façade gleichfalls mehrere Bedenken erhoben wurden. Das Gesammt- Urteil ging dahin, das der Entwurf nach einer - leicht zu bewirkenden Umarbeitung zur Ausführung sich empfehle. In Folge dieses Gutachtens entschloss sich der Ausschuss - wenn auch nur schwer - auf die in dem Entwurfe von Mylius & Bluntschli gegene Grundlage ganz zu verzichten und mit den Verfassern des neuen Plans in Verhandlung zu treten. Bei dem alles übrige in den Hintergrund drängenden Interesse, das die gesetzgebenen Körperschaften Hamburgs in den folgenden Jahren dem zollanschlusse ihres Staats an das Reich schenken mussten, wurde die bezgl. Angelegenheit allerdings nur langsam gefördert. Aufgrund wiederholter eingehender Prüfung des Entwurfs, bei welcher der Ausschuss durch den Beiraht des Hrn. Prof. Brth Ende in Berlin auf das wirksamste unterstützt wurde, haben die Verfasser denselben einer zweimonatigen Umarbeitung unterzogen, bis er nunmehr in seiner jetzigen Gestalt sowohl den Beifall des genannten Sachverständigen, wie die Billigung des Ausschusses in so hohem Maaße gefunden hat, dass der letztere sich zu jenem entscheidenden Schritte veranlasst gesehen hat.

Und der Entwurf der 8 Hamburger Architekten, von dem wir hier vorläufig die beiden Hauptgrundrisse mittheilen, während wir die skizzen der Haupt - Façade und eines Querschnitts demnächst folgen lassen werden, verdient eine solche Auszeichnung allerdings in entschiedener Weise.

 

Auf die Frage des Bauplatzes  einzugehen, verlohnt an dieser Stelle kaum, obgleich dieselbe in Hamburg selbst noch einmal von allen denen weitläufig erörtert werden dürfte, die bisher mit anderen Vorschlägen hervor getreten sind.  Es lässt sich ja nicht auch nicht leugnen, dass für verschiedene dieser Vorschläge beachtenswerthe Gründe sich anführen lassen: aber für die von alters her für das neue Rathhaus bestimmte Stelle spricht nicht allein das historische Recht und der Umstand, das alle bisherigen - anderenfalls werthlosen - Vorarbeiten sich auf sie beziehen, sondern vor allem die Thatsache, dass man in den entscheidenen Kreisen nach wie vor daran fest hält, "dass das Hamburger Rathhaus nur an einem freien Platze in der inneren Stadt, inmitten des städtischen Verkehrs und in unmittelbarer Nähe der Börse liegen dürfe."

Demnach dürften alle anderen Vorschläge von vorn herein als Aussichtslos zu bezeichnen sein. Dass der Platz am Rathhaus- Markt an sich zur Errichtung eines großen Monumental- Baues vortrefflich geeignet sei, ist u.W. noch niemals von irgend welcher Seite bestritten worden und  kann um so weniger bestritten werden, je mehr der Umfang eines solchen Baues eingeschränkt wird. Wie wir schon bei der Besprechung der älteren Arbeit von 1880 mittheilten, ist die Tiefe des Hauses gegen das Programm von 1876 um nicht weniger als 20m vermindert und es tritt dasselbe so weit nach SW. zurück dass nicht blos der Verkehr von der Schleusenbrücke nach der Kl. Johannisstr. und der Rathhausstr. sich voll entfalten kann, sondern dass auch die Hauptfront von der Eke des Alten Jungfernstieges und der Alster- Arkaden fast in ganzer Ausdehnung gesehen werden kann.  Auf die Garten- Anlagen des Rathhaus- Marktes müsste allerdings Verzicht geleistet werden, da der jetzige Kindergarten als Halteplatz für die Pferdebahnwagen und anderes Fuhrwerk zu verwenden wäre.

Das dem Entwurf zu Grunde liegende Programm ist im wesentlichen das schon i.J. 1880 angenommene geblieben. 

Es ist demnach in dem Gebäude für die Unterbringung der beiden gesetzgebenden Körperschaften des Staats, des Senats und Bürgerschaft, mit ihren Kanzleien, der Finanz-Verwaltung und etwa noch einer anderen Behörde, des Archivs und eines Raths- Weinkellers Bedacht genommen worden; doch nunmehr dafür gesorgt, dass auch die kleineren vom Senat unmittelbar abhängigen Dienstzweige, wie z.B. die Verwaltung der auswärtigen gelegenheiten, darin Raum finden. Die Vorzüge einer derartigen Anordnung, welche voraus setzt, dass die Geschäftsräume der übrigen städtischen Behörden in abgesonderte Verwaltungs- Gebäude verlegt werden, sind --- wie an dieser Stelle schon oft genug erörtert wurde -- nicht hochgenug zu schätzen. Indem sich einerseits der Umfang des repräsentativen Hauptgebäudes ermäßigt, wird an den Baukosten desselben erheblich gespart und es ist möglich, seinen hervor ragensten Räumen -- die nach dem Programm von 1876 bis in das II. Obergeschoss hinaus rücken mußten -- eine weniger hohe Lage anzuweisen; andererseits aber lassen sich im Laufe der Zeit je nach der wachsenden  Größe der Stadt oder nach dem wechselden Bedürfnisse veränderter Verwaltungs- Einrichtungen unvermeidlichen Veränderungen und Vergrößerungen der für die verschiedenen Dienstzweige erforderlichen Räume ins Werk setzen, ohne dass dabei das in seiner monumentalen Gestaltung nur schwer veränderliche Hauptgebäude angetastet werden braucht. 

Das die Architekten Hambrgs diese allein sachgemäße Lösung der Rathhaus- Frage, so entschieden vertreten und nunmehr, wie zu hoffen ist, glücklich durchgesetzt haben, ist ein Verdienst, das nicht nur ihrer Vaterstadt, sondern allen größeren Städten Deutschlands zu gute kommen wird, die künftig vor einer ähnlichen Entscheidung stehen. Berlin und Wien haben zu ihrem Schaden leider noch an dem veralteten Gedanken, möglichst alle Zweige der städtischen Verwaltung unter einem Dache zu vereinigen, fest gehalten, während derselbe in Leipzig - wesentlich wohl in Folge der von Hamburg gegegbenen Anregung - nicht mehr durchzudringen vermocht hat. Auch in Hamburg haben die maaßgegebenden Kreise sich nur allmählich mit der vorgeschlagenen Dezentralisierung der Verwaltung befreundet und ohne äußerlichen Umstand, dass durch die  Verlegung der Post die bisher von dieser benutzten, in unmittelbarer Nähe des Rathhauses belegenen Baulichkeiten frei werden, würde diesselbe vielleicht noch heute manchen Gegner finden. Um so freudiger ist es zu begrüßen, dass an der wichtigsten Stelle - innerhalb der Rathhaus- Baukommision - in dieser Beziehung ein so entschiedener Umschwung der Ansichten stattgefunden hat, wie er sich in dem vorliegenden Berichte dieses Ausschusses im Gegensatze zu seinem letzten im April 1878 erstatteten Bericht ausspricht  

 

(Deutsche Bauzeitung Nr.17; 28.Februar 1885)

Rathaus Baugrube mit Rathausbauhütte am 2.7.1888

Die Heizung und Lüftung des neuen Rathhauses zu Hamburg

von Rathhaus - Bau - Inspektor  Lämmerhirt                                            

 

Das Hamburger Rathhaus, über dessen zukünftige Gestaltung die Deutsch. Bauzeitung schon früher mehre Mittheilungen brachte, ist nicht der Sitz einer städtischen Verwaltung, wie etwa das Rathhaus zu Berlin oder Breslau; es hat vielmehr die gesetzgebenden Körperschaften des hamburgischen Staates und die obersten Regierungsgewalten aufzunehmen, soll aber auch staatliche Repräsentations- Räume enthalten, welche der reichen Stadt Hamburg bisher gänzlich fehlen.

 

Der stattliche Bau, wie er jetz im Werden ist, besteht aus einem Hauptgebäude von 4600qm Grundfläche --- und 2 sogenannten Zwischenbauten, welche Bureaus, Wohnungen und Nebenräume enthalten und das Rathhaus mit dem Börsengebäude verbinden. Das Hauptgebäude hat außer dem Keller 4 Geschosse.   

Im Unter- und Ober- Erdgeschoss sind untergebracht: die Haupt - Staatskasse, das Staatsarchiv, die Finanz und Domänen- Verwaltung, sowie die dazu gehörigen Arbeitsräume; alle diese gruppiren sich um die durch beide Geschosse hindurch reichende "Rathhausdiele". Das Hauptgeschoss enthält den Sitzungssaal der Bürgerschaft, den "großen Rathhaussaal" und den Sitzungssaal des Senates ( die "Rathstube" genannt), sowie 5 kleinere Säle, welche sowohl für Sitzungen, als auch zum Empfang benutzt werden können. Daran schließen sich nach allen Seiten hin Arbeitszimmer der Behörden, denen auch die Räume im Zwischenbau überwiesen werden werden. Die Zahl der Nutzbaren Räume beträgt etwa 180, von denen der größte etwa 727qm Fläche hat. Endlich ist nochder südliche Theil des geräumigen Kellers zu einer Weinstube, dem "Raths- Weinkeller", bestimmt.

Bekanntlich ist es nicht leicht, ein großes monumentales Gebäude mit einer allen neuerlich gestellten Ansprüchen genügenden Heizung und Lüftung zu versehen; in erhöhtem Maaße trifft dies im vorliegen Falle zu, weil die Verstehenden Räume einerseits hinsichtlich ihrer Größe, andererseits in bezug auf die Art ihrer Benutzung sehr von einander abweichen.  

 

Von einer Beheizung mittels gewöhnlicher Öfen konnte natürlich nicht die Rede sein, schon deshalb nicht weil die große Zahl von Schornsteinen, welche nothwendig geworden wäre, die in Hamburg so viel beklagte Rauchbelästigung an dieser Stelle zur Unerträglichkeit gesteigert haben würde. Aber die Wahl zwischen den vielen jetzt gebräuchlichen und angepriesenen, auch patentirten Systemen von Zentralheizungen ist schwer; so entschloss sich denn die Rathhaus- Baukommission, einen Wettbewerb zwischen 4 angesehen Heizfirmen Deutschland: D.Grove in Berlin, R.O.Meyer in Hamburg, Gebr. Körting in Hannover und J.Haag in Augsburg auszuschreiben.  Die darauf von F.Grove und von R.O. Meyer eingereichten Entwürfen fanden solcher Art Beifall, dass man wünschte, die in beiden enthaltenen Vorschläge mit einander verschmelzen und daraus einen neuen endgiltigen Entwurf ausarbeiten zu können.  Die beiden Firmen übernahmen darauf selbst die Herstellung neuer Zeichnungen und aufgrund derselben auch die demnächstige Ausführung gemeinschaftlich. 

Ursprünglich wurde beabsichtigt , zum Betriebe der elektrischen Maschinen, der Aufzüge und der Drucklüfter 3 große Dampfkessel unter dem Lichthofe, welcher durch den Anschluss des nördlichen Verbindungsbaues an die börse entsteht, aufzustellen und diesen Kessel auch den auch den für für die Heizung erforderlichen Dampf zu entnehmen.       Da aber diese Anordnung manches Bedenken erregte, inzwischen auch eine staatlich gegründete, elektrische Zentralstation zur Ausführung gekommen ist, welche die Aufstellung elektrischer Lichtmaschinen im Rathhause entbehrlich macht, so ist mit der Direktion der Elektrizitätswerke die Vereinabarung getroffen worden, dass von den letzteren der für die Heizung und Lüftung, wie auch für den Betrieb der Aufzüge nöthige Dampf mittels Rohrleitung von 240 - 250m   Länge geliefert wird. Der größte Bedarf an Dampf, der mit 5½ bis 6 Atmosph. Überdruck im Rathhaus ankommen soll, ist auf 1100 kg für die Stunde berechnet.

Je nach Ihrer Größe und Bestimmung sind die Räume verschieden behandelt. 

 

I. Die große Rathausdiele (eine gewölbte Halle im Erdgeschoss, welche den Zugang zu den einzelnen Gebäudetheilen vermittelt), das Staats- Archiv (im Unter- Erdgeschoss am Altenwall ), die Vorsäle, der Audienzssal (im Ober  Erdgeschoss) und der Senatssaal (darüber), sowie der Bürgerschaftssaal (an der Gr. Johannisstr.) und die Konferenzsäle ( am Rathhausmarkt), erhalten Dampfdruck- Luftheizung, d.h. Zuführung erhitzter Luft aus besonderen Heizkammern im Keller einerseits, Absaugung verdorbener Luft anderseits bei stündlich 2maligen Luftwechsel. In den Räumen selbst sind keine Heizkörper. 

II. Die Haupt- Staatskasse und der Raths- Weinkeller (beide Johannisstr.), sowie einige andere Räume werden durch Heizkörper der Niederdruck - Dampfheizung, welche der in den Räumen selbst aufgestellt werden erwärmt, beziehen außerdem erwärmte Luft aus dem Keller und sind auch an die Luftabsaugung angeschlossen; Dabei soll stündlich einmaliger Luftwechsel stattfinden.

III. Sämmtliche Arbeitszimmer erhalten Niederdruck- Dampfheizung, deren Heizkörper meist in den Fensternischen- Platz finden.  Durch senkrecht aus dem Keller aufsteigende Kanäle werden dieselben mit gereinigter Luft und befeuchteter Luft von 15 bis 20°C. versorgt, während die Abluft unmittelbar nach dem Bodenraum geführt wird. 

IV. In den Treppenhäuser, Gängen und einigen Nebenräumen werden Heizkörper der Nieder-Druckheizung aufgestellt ohne besondere Lüftungsvorkehrung.

 

Die Dampfluftheizung. Um reine Luft zu erhalten, soll der unterbau des Springbrunnens im Rathhaushof hohl gestaltet werden. Die Luft, welche das überströmende Wasser durchdringt - so lange Wärme der Außenluft das Spiel des Wassers zulässt - wird durch einen Kanal von 10qm Querschnitt den drucklüftern, welche im Keller unter der Senats- Treppe ihren Platz finden, zugeführt, und durch dieselben in die Filterkammer gepresst. Von da tritt die Luft nach Zurücklassung von Staub und Russ ( hier Sodt genannt) in die Vorwärmekammer, - Erwärmung auf 12°C. durch Heizschlangen - wird dann angefeuchtet und im folgenden Raum auf 20°C erwärmt. Von der daran anschließen Kontrolkammer, welche die verschiedensten Messapperate enthalten wird, vertheilt sich dann die Luft in dem großen Luftkanal, der bis zu den Verbindungsbauten sich hinzieht und verschiedene Höhen von 1,5bis zu über 3erhalten wird. (Der Kanal mit seinen Nebenräumen ist im Kellergrundriss Abbild 1. durch Schraffierung , der Zug der Luft durch eingezeichnete Pfeile angedeutet.)  

 

 

Funktionsskizze des alten Heizsystems im Rathaus

Der höchste Zufluss an frischer Luft ist auf 78,370cbm für die Stunde berechnet. 

Aus diesem Kanal beziehen 14 Heizkammern HH ihren Bedarf. letzere enthalten Heizschlangen bezw. Rippenheizkörper, welche mit mit Hochdruckdampf gespeist werden und die Luft auf 35 bis 40°C bringen sollen, so dass sie in den anschliessenden gemauerten Kanälen zu den erwärmenden Räumen kräftig aufsteigt. Die Ausströmungs- Öffnungen liegen durchweg in der nähe der Decke und sind in größerer Zahl angeordnet; der große Festsaal z.B. erhält bei 42m Länge deren 8 an jeder Langseite, im ganzen 16. Eine gleiche Anzahl von Abluftkanälen entspringt in der Nähe des Fußbodens und führt hinab zum Keller, an dessen Decke sie sich hinziehen, um sich  im innern des Thurmfundamentes zu vereinigen.

Im Mauerwerk des Thurmes sind 4 Abzugschächte von quadratischen Querschnitt von 1,30m     Seite aufgespart; sie steigen bis zum Dachhelm auf und setzen sich hier in eiserne Röhren fort, so dass die Ausströmung der Abluft in Höhe von 70 bis 75m  erfolgt. Um der Abluft genügende Steigkraft auch bei mildem Wetter zu verleihen, wird sie beim Eintritt in den Thurm nochmals durch Heizkörper erwärmt.

Eine besondere Sorgfalt ist der Erwärmung und Lüftung des Bürgerschafts- Sitzungsaales zugewandt. Die Ausströmung der Zuluft erfolgt durch zahlreiche Öffnungen im Deckengesims, während die Abluft ihren Weg durch die Setzstufen der ansteigenden Fußböden sowohl im Saal selbst, als auch auf den Galerien findet. -

alle Berechnungen gründen sich auf die Bedingung, dass die Geschwindigkeit der Zuluft nicht größer als 1,3in der Sekunde sein darf. Überall ist elektrische Beleuchtung voraus gesetzt, da eine Gasleitung im ganzen Rathhause nicht geduldet werden soll.

Was nun in die Heizkammern aufzustellenden Heizkörper betrifft, so sind sie sämmtlich in einzelnen Theilen absperrbar, so dass je nach Erforderniss 1/3,2/3 oder der ganze Heizkörper der betreffenden Kammer in Thätigkeit gesetzt werden kann.    Jede Kammer hat dabei ihre eigene Kupferrohr- Leitung, welche den Dampf vom Ventilstock aus zuleitet und das Kondenswasser bis zum Kondenstopf, der ebenfalls im Maschinenraum steht, zurück führt. Die Gesammtfläche der Lüftungsheizungskörper beträgt 1450qm    zur Vorwärmung und 765qm in den Heizkammern.  

 

Die Niederdruck- Dampfheizung. Je nach ihrer Lage sind die zu heizenden Räume in 4 Gruppen zusammen gefasst, welche ungefähr den 4 Haupt - Himmelsrichtungen entsprechen. Jede Gruppe erhält im Keller 2 neben einander liegende sogen. Zwischenkessel, feuerlose Dampfkessel von 1,90m Länge und 1,10m Durchmesser (im Kellergrundriss mit KK bezeichnet). In jedem derselben liegt eine Kupferne Heizschlange von 60m Länge und 30mm Stärke. Dadurch, dass diese Heizschlange von Hochdruckdampf durchzogen wird, setzt dessen Überdruck mittel eines ( der Firma Bechem & Post patentirten ) Regulators je nach Bedarf unter ½ Atm. unter 2 Atm. oder auf einer beliebigen Zwischenstufe erhalten. Der so erzeugte Niederdruckdampf steigt in 100mm starken Kupferrohren (für je 2 Kessel ein gemeinschaftliches Rohr) fast senkrecht bis zum Dachboden auf, woselbst die Vertheilung durch nahezu waagrecht liegende Rohre erfolgt. In 85 Fallsträngen geht der Dampf hinab zu den einzelnen Heizkörpern und als Kondenswasser bis zur Kellerdecke, um hier den Kesseln wieder zugeführt zu werden. Diese Fallstränge liegen in den Fensterlaibungen in Schlitzen, deren Deckel aus Eisenblech sich abschrauben lassen, so dass sich ein schadhaftes Rohr sich leicht auswechseln lässt. Die hier angeschlossenen gusseisernen  Rippenheizkörper sind nach dem System Bechem & Post eingerichtet und mit Schutzmänteln usw. versehen. Die Verbindung zwischen je 2 zusammengehörigen Zwischenkesseln ist so angeordnet, dass einer allein oder beide gemeinschaftlich benutzt werden können. Da außerdem je 2 Steigerohre nebeneinander in die Höhe geführt sind, so kann beim Schadhaftwerden eines Kesselpaares die Leitung so verbunden werden, dass das andere Kesselpaar beide Heizgruppen mit Dampf versieht.

Der oben erwähnte Patent- Regulator ist in Abbild 2 dargestellt.

Der Abfluss der Heizschlange  endet in einem Gehäuse, dessen Ventil ein mit Quecksilber halb gefülltes Rohr trägt. in das Quecksilber taucht ein anderes Rohr ein, welches mit dem Dampfraum des Zwischenkessels in Verbindung steht.  Das Ventil v wird anderseits durch ein verschiebbares Gegengewicht so gehoben, dass es beim fehlen des Dampfdrucks ganz geöffnet ist.  Wirkt aber die Dampfspannung auf das Quecksilber so senkt sich das Ventil.  Je nach der Einstellung des Gegenwicht erfolgt der Schluss bei ½ Atm. oder erst bei einem höheren Überdruck; als Grenze sind 2 Atm. angenommen. Das geschlossene Ventil sperrt den Ablauf des in der Heizschlange entstandene Kondenswasser, hindert also auch den Eintritt neuen Hochdruckdampfes in die Heizschlange; die Wirkung des letzteren nimmt allmählich ab, bis die Spannung im Dampfraum des Zwischenkessels unter die vorgeschriebene Grenze zurück gegangen ist und sich das Ventil wieder hebt.

Dieser Anordnung liegt folgender Gedankengang zugrunde. Bei dem gänzlichen Fehler einer Feuerung, auf welche nach der gewöhnlichen Anordnung der Bechem & Post'schen Heizung der Regulator wirkt, Muss der letztere auf Absperrung des Dampfes bezw. des Kondenswassers eingerichtet werden. Wenn Nun auch die Heizkörper so berechnet sind, dass sie bei einem Dampfdruck von höchstens ½ Atm. ausreichen, so könnte doch des Nachts, wenn kein Dampf aus der elektrischen Zentralstation zuströmt, bei sehr niedriger Außentemperatur die wasserwärme im Zwischenkessel so sinken, dass keine Dampfentwickelung méhr stattfände. Durch eine reiche Wassermenge im Zwischenkessel ist zwar dafür gesorgt, dass auch in diesemFalle kein Nachtheil für die Heizung entsteht; es würde nur, da im ganzen Rohrnetz kein Vorrath an Wärme ist, das Anwärmen der Büreaus sehr lange Dauern; sollte aber einmal ein Zwischenkessel arbeitsunfähig sein, so würde bei strenger Kälte der andere allein für die ganze Heizgruppe nicht ausreichen. Dann soll der Regulator auf einen höheren Dampfdruck eingestellt  und dadurch der Zwischenkessel leistungsfähiger gemacht werden. 

  

 

Lüftung der Arbeitszimmer.  Da bekanntlich in Hamburg die Luft in den Straßen der Stadt durch Staub und Ruß ( Sodt) außerordentlich Verunreinigt ist, so erscheint eine Zufuhr dieser Straßenluft, auch wenn sie vor dem Eintritt in das Zimmer an den Niederdruck- Heizkörpern erwärmt würde, sehr bedenklich. Deshalb entschloss man sich, auch diesen durchweg kleineren Räumen gereinigte, vorgewärmte Luft aus dem Keller zuzuführen. Zu diesem Zweck ist der Große Luftkanal im Keller (im Kellergrundriss straffirt ) an den Straßenfronten enttlang geführt und mit einer großen Anzahl kleiner Kanäle in Verbindung gebracht. Die meisten derselben liegen in der Außenwand, rechts und links von den Kellerfenstern, haben 25cm lichte Weite und sind aus glasirten Steinen hergestellt (Abbild. 3).  Jedes Rohr endet, ohne mit dem Heizkörper der Niederdruck- Heizung oder dessen Schutzmantel in Verbindung zu treten, unweit der Decke des von Ihm zu speisenden Zimmers, während an der gegenüber liegenden Wand ein entsprechendes Abluftrohr, am Fußboden beginnend, hinauf zum Dachboden geführt ist. ( die Frage Sommerlüftung ist noch nicht erledigt; doch werden dieselben Kanäle benutzt werden können, wenn man im Keller einige Eismaschinen aufstellt.) 

Um den großen Luftkanal vor zu großer Abkühlung zu schützen, anderseits die der Sauberkeit wegen  so sehr erwünschte Erleuchtung nicht zu verlieren, soll mit den Pfeilern bündig eine schwache Wand aus Ziegelsteinen errichtet und mit Fenstern versehen werden, so dass zwischen beiden Fenstern ein reichlicher Zwischenraum entsteht. Übrigens wird die Abkühlung durch die Außenwände wohl dadurch ausgelichen werden, dass sämmtliche Kupferrohre, welche Hochdruck- Dampf oder Kondenswasser führen in dem Luftkanal untergebracht sind.  Die Wandflächen sollen hell und so glatt geputzt werden, dass sie leicht gereinigt, nöthigenfalls abgewaschen werden können. 

 

 

 

Rathaus Baustelle Sommer 1889, Blickrichtung Alter Wall

Dampfzufuhr.  Wie schon oben angedeutet, wird der Zur Heizung, Lüftung und dem Maschinenbetrieb er-forderliche Dampf von der elektrischen Zentralstation in der Poststraße (der ehe-maligen Stadtmühle) ge-liefert werden. Die dazu erforderlichen beiden Kupferrohre von je 170mm Durchmesser sollen in der Straße, soweit möglich sein wird, in einem bekriechbaren gewölbten Kanal aufgehängt werden, so dass die Flanschdichtung nach erfolgtem Dampfeinlass geprüft, ausgebessert und später auch wieder nachgesehen werden kann.  Der Übergang über die Schleuse der kleinen Alster wird dadurch erleichtert, dass eine Verbreiterung der Schleusenbrücke in nächster Zeit zur Ausführung kommt. an der Eisenkonstruktion des neuen Bürgersteigs wird ein eisener Kasten angehängt, welcher die beiden Dampfrohre sammt ihrer Einhüllung umschließt. Bei Berechnung des Rohrquerschnitts ist dieselbe Vorsicht wie an anderer Stelle beobachtet: für den gewöhnlichen Bedarf ( da selten oder nie alle Räume gleichzeitig zu heizen sind) wird ein Rohr ausreichen, so dass im Nothfall die andere Leitung unterbrochen werden kann. 

 

Kosten.  Die Menge des für die Heizung und Lüftung gelieferten Dampfes soll durch Messung des ablaufenden Kondenswassers festgestellt werden und danach die Bezahlung an die Elektrizitätswerke erfolgen, während die Dampfmaschine, welche die Drucklüfter und Aufzüge treibt, zu demselben Zwecke einen Tourenzähler erhält. 

Alles, was zur Heinzungs- und Lüftungs- Einrichtung im Innern des Rathhauses gehört,- ausschließlich Mauer und Gitterwerk und der Dampfmaschine -   ist von den Firmen D.Grove und R.O.Meyer für den Preis von 191.100 M. zuliefern und gangbar herzustellen übernommen; die Kosten der Rohrleitungen von der Zentralstation der Elektrizitätswerke bis zum Rathhause sind auf 51.00 M geschätzt.  Eine Erhöhung bezw. Herabsetzung der Vertragssumme tritt ein, wenn der Preis des rohen Kupfers und des Gusseisens von dem angenommenen Grundpreise ( 100 M. bezw. 18 M für 100kg) wesentlich abweicht.  

 

( Deutsche Bauzeitung XXIII. Jahrgang, 6.Juli 1889) 

 

Der Bau des Hamburger Rathauses

Blick auf die Rathaus Baustelle von der Johannesstr gegen Alten Wall

Zehn Jahre sind vergangen, seitdem an dieser Stelle zum letzten Male in selbstständiger Form über die von der deutschen Architektenschaft durch mehr als ein menschenalter mit so lebhafter Theilnahme verfolgte und auch in der deutschen Bauzeitung so vielfach erörterte Angelegenheit des Hamburger Rathhauses- Baues berichtet worden ist. Inzwischen ist von den 7 Architekten, denen der siegreiche Anstoss zur Lösung der bis dahin dem Bau entgegen stehenden, scheinbar unüberwindlichen Schwierigkeiten zu danken ist und denen die Stadt infolge dessen diese grösste, von ihr zu vergebende Aufgabe zur Ausführung anvertraut hat, rüstig am Werke geschafft worden. Langsam aber steig sind die Mauern empor gewachsen, haben die Dächer über ihnen sich geschlossen. Schon seit Jahresfrist ragt der bis zu 100m Höhe geführte, mit dem blitzenden Reichsadler gekrönte Hauptthurm des Hauses zwischen den übrigen Thurmriesen Hamburgs als neues stolzes Wahrzeichen hanseatischer Bürgerkraft zum Himmel; vor kurzem sind auch die letzten Gerüste, Bauzäune, und Baubuden, welche noch Theile der Fassaden verdeckten, gefallen. Und am 19.Juni 1895 sollen die Pforten des Hauses zum ersten Male einer erlauchten Festversammlung, den unter Führung des deutschen Kaisers zur Einweihung des Nord-Ostsee-Kanals schreitenden deutschen Fürstenmit ihrem glänzenden Gefolge, sich öffnen, welche die Freie und Hansestadt Hamburg an dem Sitze ihrer Vertreter gastlich empfängt.    Mit diesem in den nächsten Tagen sich abspielenden Ereigniss wird allerdings noch keineswegs die Vollendung des Hauses besiegelt, dessen innerer Ausbau fast überall kaum über die erste Stufe hinaus gelangt ist; es darf vielmehr angenommen werden, dass wohl noch weitere 5 Jahre erforderlich sein werden, um jenes Ziel zu erreichen. Zu einer abschliessenden Beschreibung und Würdigung des Baues ist die Zeit also noch nicht gekommen. immerhin dürfte durch diesen fürstlichen Besuch und während die desselben stattfindenden grossartigen Festlichkeiten die Aufmerksamkeit des Volkes derart auf das neue Hamburger Rathhaus hingelenkt werden, dass wir im sinne unserer Leser zu handeln glauben, wenn wir ihnen einstweilen wiederrum einige kurze Mittheilungen über dasselbe mit den Entsprechenden Abbildungen vorführen.  

Den organischen Grundgedanken der ganzen, auf die Geschäftsräume des Senats, der Bürgerschaft und einiger besonders wichtiger Verwaltungszweige nebst den zugehörigen Kanzleien und einem Rathsweinkeller eingeschränkten, mit der Börse in unmittelbaren Zusammenhang gesetzten Anlage dürfen wir als bekannt vorrausetzen; er spricht sich in der Hauptsache darin aus, dass zu den Sitzungssälen der beiden gesetzgebenden Körperschaften gehörigen  Vor und Nebenräume mittel des durch beide Obergeschosse reichenden, über der grossen Diele des erdgeschosses liegenden Rathhaus- Saales derart in zusammenhang gesetzt sind, dass sie in Verbindung mit diesem Saale zugleich als eine Feststätte grössten Maasstabes benutzt werden können. Dieser an das geschichtliche Gepräge des deutschen Rathhauses anknüpfende Gedanke, der schon in dem ersten, vor  15 Jahren dem Senat überreichten Entwurfe der jetzigen Rathhaus- Baumeister klare Gestalt gewonnen hatte ist in allen späteren Bearbeitungen des Entwurfes unverrückt festgehalten worden. 

 

Auf alle Einzelheiten der letzten Umänderungen, bei welchen die Grundflächen sowohl des Hauptbaues wie der beiden Verbindungsbauten nicht unwesentlich vergrößert worden sind, einzugehen, wird für die Zwcke dieser Mittheilung kaum erforderlich sein.   Als die wichtigsten derselben dürfte die durch eine Höherlegung des Rathhaus- Marktes des ganzes Baues anzusehen sein; während das Hauptgeschoss desselben früher in einer Gleiche mit dem Obergeschoss der Börse lag, entspricht die Höhenlage des letzten nunmehr derjenigen der Podeste der beiden Haupttreppen. 

Des weiteren dürfte auf die Anlage der an diese Haupttreppen angeschlossenen Nebentreppen, auf die veränderte Ausgestaltung des Bürgerschafts- Saales, auf die Abrückung des Senats- Saales (der Rathsstube) von der Front und die Beleuchtung desselben durch Oberlicht, auf die Einschaltung eines Ganges zwischen Thurmhalle und Diele im Ober- Erdgeschoss, endlich auf die veränderte Axentheilung in den Rücklagen der Hauptfront (je 8 statt 5 Axen) zu verweisen sein. - Dass der Bau seiner Bestimmung nicht nur auf das würdigste, sondern auch auf das zweckmässigste entsprechen wird, ist nach wie vor unsere aufrichtige Überzeugung. -

Das Haupt- Interesse an dem Hause dürfte im gegenwärtigen Zeitpunkte fast ausschliesslich an seine äussere Erscheinung sich heften, die dem Beschauer bereits als Fertiges vor Augen tritt. Auch in dieser beziehung habensehr beträchliche, und zwar durchweg vortheilhafte Umgestaltungen des ursprünglichen Entwurfs stattgefunden, wenngleich die massgebenden Züge desselben nicht angetastet werden konnten.

Dass die Aufgaben der Fassaden- Gestaltung für den vorliegenden, aus den eigenartigen Bedingungen des Bauprogramms und der Baustelle hervorgegangenen Grundriss an sich eine überaus schwierige war, kann keinem Architekten zweifelshaft sein.    Wenn man sich Mühe giebt, "zwischen den Zeilen zu lesen", Wird man auch unschwer erkennen, das jener erste (zum Vergleich hier nochmals abgedruckte) Fassaden- Entwurf im wesentlichen als ein Kompromiss sich darstellt, das in etwas durch die verschiedene  künstlerische Richtung der betheiligten Architekten veranlasst worden sein mag, überwiegend aber durch den Zwiespalt den aus den Grundrissen abzuleitenden und den aus allgemeinen künstlerischen Gesichtspunkten sich ergebenden Forderungen bedingt wurde.   Es war vor allem die Frage der Dachlösung, welche dabei die wichtigste Rolle gespielt  und auf die Wahl des Architektur- Systems den entscheidenen Einfluss ausgeübt hat. Zu überdecken war ein einheitlicher, innerer Höfe entbehrender, aber von mehren grossen Oberlichten durchbrochener Baukörper von nicht weniger als 35m Tiefe.  Die nächstliegende und bequemste Lösung wäre die Anordnung eines flachen, überhaupt nicht zur Erscheinung tretenden Daches und demzufolge die Wahl einer klassischen Renaissance- Architektur mit Hoher Attika- Bekrönung gewesen. 

 

Richtfest 7.Mai 1892

Man darf  wohl als gewiss betrachten, dass noch vor 25 Jahren der Entwurf in diesem Sinne gestellt worden wäre und ein Blick  auf die Fassaden- Zeichnung von 1885 (siehe oben), die - von einzelnen Zuthaten abgesehen - bis zum Hauptgesims ein italienschen Renaissance entlehntes System zeigt, lässt die Vermutung, dass es in der That zunächst eine derartige Lösung versucht worden ist, kaum abweisen.  Dass hierbei ein befriedigendes ergebniss nicht zu erzielen war - schon weil die Höhe des baues selbst mittels der gewaltsamsten Übertreibungen niemals soweit gesteigert werden konnte, um dem Rathhause eine beherrschende Stellung unter den Zinshäusern seiner Umgebung zu sichern- ist klar und war über dies durch das Beispiel der Börse handgreiflich erwiesen. Aber auch der Umschwung der architektonischen Anschauungen, der sich innerhalb der letzten  Jahrzehnte  in Deutschland vollzogen hat, schloss eine solche "akademische" Lösung, mit welcher ein anhauch an das geschichtliche, im Volksbewusstsein lebende Gepräge des deutschen Rathhauses sich kaum verbinden liess, mit Nothwendigkeit aus. So waren denn die Rathhaus- Baumeister zu dem Auskunftsmittel gelangt, jenem italienischen Fassaden- System  einen mit Erkern und Giebelaufbauten reich ausgestatten Dach- Aufbau im Stile deutscher Renaissace anzufügen und entsprechcnd  auch den den oberen Theil des Thurmes zu gestalten. - wenn auch das Dach hierbei nicht in einheitlicher organischer Weise angeordnet werden konnte, sondern in ein an den Fronten entlang geführtes schmales Satteldach und mehre flache Dachtheile im Innern zerlegt werden musste. 

Es ist diese Dachlösung- einer strengeren architekonischen Auffassung gegenüber - der für die Laienwelt freilich überhaupt nicht erkennbare schwache Punkt des Entwurfs.    Und selbstverständlich war es, wie die Verhältnisse nun einmal lagen, unmöglich, denselben bei weiterer  Durcharbeitung des Planes zu beseitigen. Was allein geschehen konnte und in vollem Maasse geschehen ist, war eine technische Ausführung, bei der konstruktive Übelstände ausgeschlossen sind. Im übrigen kann nur wiederholt betont werden, dass jene weitere Durcharbeitung in allen Stücken als eine wesentliche Verbesserung sich darstellt.    

Das Rathaus im Bauzustand 1895

Hervorzuheben ist in erster Linie die einheitlichere künstlerische Haltung, welche dem Baue dadurch gegeben worden ist, dass in der Ausführung auch die Gliederung der eigentlichen Fassade im sinne deutscher Renaissance durchgebildet worden ist.

Ganz abgesehen davon, dass diese Stilweise zu der Zeit, da der bau des neuen Hamburger Rathhauses beschlossen wurde, in der Baukunst unseres Landes allgemein bevorzugt wurd und dass in Ihr die von den einzelnen Rathhaus- Baumeistern gepflegten Kunstweisen am besten sich vereinigen liessen, war sie auch diejenige, mittels welcher der Bau seinen Maaasstabe nach am leichtesten zu en ihn umgebenden Wohnhäusern in Beziehung gesetzt werden konnte. Die Früher vielfach aufgestellte Behauptung, dass die deutsche Renaissance zur Bewältigung grösserer Baumassen völlig ungeeignet sei - ist auch durch dieses Beispiel - wohl das mächtigste bisher in ihrer Formgebung geschaffene Werk - nicht bestätigt worden, obwohl nicht geleugnet werden kann, dass weder die streng regelmässige und symetrische Anlage des Baues nocch die im Verhältniss schmalen Axweiten der Fassaden ihrer Anwendung günstig waren.

Von einer eingehenden Beschreibung der Fassaden glauben wir mit Rücksicht auf die mitgetheilten Abbildungen Abstand nehmen zu können. Im allgemeinen setzt das der Hauptfront zugrunde gelegte System auch an den übrigen Front sich fort; nur dass an der Ostseite die von 2 Erkern eingerahmten Fenster des Bürgerschafts- Saales und an Hofseite die gleichfalls durch beide Obergeschosse reichenden Fenster des Rathhaus Saales eine wohltuende Unterbrechung bilden. Die Fronten der Verbindungsbauten zur Börse sind im Anschluss  an die Architektur dieses Gebäudes gehalten, dessen dem Rathhaushofe zugekehrte Front in Sandstein erneuert wurde. 

Einer besonderen, kurzen Erwähnung bedarf jedoch der mit ziemlich freigibiger Hand vertheilte, sinnige bildliche Schmuck des Äusseren. An den Fensterpfeilern des Hauptgeschosses sind an der Vorderfront - wohl in Erinnerung an einen ähnlichen Schmuck des alten, i. J. 1842 abgebrannten Rathhauses - die in Erz gegossenen Standbilder von 20 Kaisern des alten Deutschen Reichs angeordnet und zwar zur Seite der Balkonhalle des Thurms  Karl. d. Gr., dem die Stadt ihre Gründung und  Friedrich Barbarossa, dem sie ihren Freibrief verdankt; an jenen schliessen in Geschichtlicher Reihenfolge ( von rechts nach links) Ludwig der Fromme,  Ludwig der Deutsche,  Konrad I., Heinrich I., Otto I., Otto II , Konrad II. , Heinrich III. und Lothar der Sachse, an diesen ( von links nach rechts) Heinrich IV., Friedrich II., Rudolf v. Habsburg, Karl IV., Maximilian I., Karl V., Maximilian II., Joseph II. und FRanz II. sich an. Die Modelle rühren von den Bildhauern Börner, Denoth, Giesecke, Peiffer und Thiele in Hamburg, Dr. Hartzer, Kruse, Kumm Pfannschmidt und Vogel in Berlin, Garbers, Herzig und Ockelmann in Dresden, J. v. Kramer und Ungerer in München, Küsthardt in Hildesheim und Echtermeyer in Braunschweig her; der guss derselben, wie der aller übrigen Erzfiguren ist in Lauchhammer bewirkt worden. 

    

Die letzteren bestehen aus den symbolischen Darstellungenvon 4 Bürgertugenden ( Tapferkeit und Frömmigkeit von Thiele in Hamburg - Klugheit und Einträchtigkeit von Garbers in Dresden) auf dem verkröpften Gebälk der die Balkonhalle des Thurms einrahmenden Säulenstellungen, zwei - die Rechte und die Linke verkörpernden - Rednerfiguren an den Fensterpfeilern des Bürgerschafts- Saales von Ungerer in München, einer vor der Rathsstube angebrachten Justitia von Offernmann in Dresden und endlich den Figuren von Adam und Eva an dem aus zur westlichen Nebentreppe führenden, als "Brautpforte" gedachten Eingange. Die letzten sind wie die übrigen Steinbildwerke ( ein paar sich schnäbelnder Tauben, Xantippe und Blaubart) von Ungerer in München modellirt. -  

In Kupfer getrieben (u. zw. von G.Knodt in Bockenheim, Seitz in München, Hygin Kiene Holzkirchen, Peters in Berlin und der Karlshütte) sind die 4 Wächterfiguren auf den Thurmgiebeln und die Delphinreiter am Fusse derselben (modellirt von Börner in Hamburg), die 4 von J. v. Kramer in München erfundenen, auf die alten hansischen Kontore in Bergen, Brügge, London und Nowgorod bezogenen Wappenhalter auf den Giebeln der südlichen Hoffront, sowie endlich die Namensheiligen der 9 alten Hamburger Kirchspiele (St.Nicolaus, St. Johannes, St. Magdalena, St. Katharina, St. Michael, St.Petrus, St.Jacobus, St. Paulus und Georg) auf den Hauptgiebeln des Hauses; erfunden sind die letzten von den Bildhauern Denoth, Peiffer, und Thiele in Hamburg, Kruse Krumm und Vogel in Berlin, Ockelmann und Offermann in Dresden. - Hierzu gesellen sich endlich als Steinbildwerke die Standbilder von ehemaligen Landesherren der Stadt ( Bischof Adalag von Everding in Bremen, Bischof Adalbert von Wandschneider in Berlin, Bischof Anschar von Möller in Dresden, Graf Adolf III. von Schauenburg von Echtermeyer in Braunschweig), die an den Fensterpfeilern des grossen Rathhaus- Saales, an der Südfront angebracht sind; die 24 von Denoth in naturalistischer Auffassung, meist mit Anlehnung an bestimmte Persönlichkeiten, modellirten Berufstypen aus der Hamburger Bürgerschaft, welche die Fenster- Verdachungen der Hauptfront krönen, der an den Hamburger Brand von 1842 erinnerde. gleichfalls von Denoth herrührende Phönix über dem mittleren Thurmbalkon, sowie das unter demselben befindliche Hamburger Wappen: - Dieses (wie alle ornamentalen Skulpturen des Baues) nach Modellen des Hamburger Bildhauers Engelbert Peiffer ausgeführte, eine Inschrifttafel mit dem alten Wahlspruch der Stadt krönende Wappen, sowie die sonstige in Giebelfeldern oder Kartuschen- füllungen angebrachte Wappenschmuck sind heraldisch bemalt oder auf vergoldeten Grund  gesetzt und bringen in Verein mit den Ziffernblätter der Uhr und dem (noch fehlenden) Mosaikbilde über der Thür des Hauptbalkons, sowie den schon einen anflug von Patins zeigenden Bronzen ein gewisses farbiges Leben in den Bau; 

hofffentlich wird dasselbe im Laufe der Jahre durch eine Patinirung der durchweg mit Kupferhaut versehen Dächer verstärkt werden. 

Im Anschluss hieran sei noch erwähnt, dass das durch Tränkung mit Chemikalie geschützte Steinmaterial der Fassaden, dessen verschiedene Färbung aus den Abildungen ersichtlich ist, in der Hauptsache den Brüchen von Oberkirchen und von Schöna in Sachsen entstammt.  In kleineren Mengen sind auch Steine aus den Brüchen des Deister und des Teutoburger Waldes, von Burgpreppach in Franken und Cudowa verwendet worden; der Sockel ist mit Bornholmer Granit verblendet. Die Firstbekrönungen und die Balkongeländer sind in Schmiedewerk ausgeführt; die Thürme des Hauptportals sollen in reichem Bronzeguss herstellt werden. - 

Eine kritische Würdigung der Einzelheiten würde zu weit führen. Lässt sich im allgemeinen auch manchen Einwendungen nicht zurück halten - wir möchten neben ersichtlichen Widersprüchen in der stilistischen Haltung eine gewisse, namentlich in den unteren Theilen hervor tretende, weichliche Behandlung des Details, Vor allem aber das Übermaass und die gar zu gleichmässige Vertheilung der Schmuckformen hervor heben - so ist der Bau andererseits doch so reich an Schönheiten und inbezug auf den wichtigsten Punkt, die Wahl Maasstabes, so glücklich durchgeführt, das Hamburg wahrlich vollen Grund hat, sich dieses Werkes, durch das sein architektonischer Rang um ein Gewaltiges empor geschnellt ist, von Herzen zu freuen. Zu treffflicher Geltung kommt insbesondere der Turm, dessen zierliche, in ihrer eigenartigen Gestaltung von den Kirchtürmen wirksam sich abhebende Spitze dem an sich unvergleichlichen Stadtbilde einen Reiz verliehen hat.

Interessant, und von dem sonst Üblichen abweichend ist die stückweise Vergebung der einzelnen Bauarbeiten an verschiedene Unternehmer. So sind an den Erdarbeiten nach einander 2 Firmen thätig gewesen; die Fundirung, die Ausführung des Kellers, des Obererdgeschosses und der Obergeschosse, die Sandsteinarbeit an dem Unterbau bis zum Balkon haben in verschiedenen Händen gelegen;  in der zweiten, wichtigeren Hälfte des Baues wurden die gesammten Maurer- und Steinmetzarbeiten allerdings von einer einzigen Firma, Philip Holtzmann in Frankfurt a.M. hergestellt, während die Eisenkontruktionen der Dächer von den Werken zu Lauchhammer, diejenigen des Thurmes von Tillmanns in Remscheid und H.C.E. Eggers & Co. in Hamburg, die Kupferdecker- Arbeiten von D.H.W. Schulz in Hamburg ausgeführt wurden. Besondere, vom Baumeistern auf's wärmste gewürdigte Verdienste um den Bau haben sich die ihnen als Berather in allen schwierigen technischen Fragen zurseite stehenden Ingenieure Hennicke & Goos sowie der chef ihres Bureaus, Hr. Architekt Geissler erworben. 

 

Rathaus und Marktplatz 1895

Nach dem am 3.April 1886 mit dem Erdaushub begonnen worden war, fand am 6.Mai 1886 - den Jahrestage des Hamburger Brandes - die feierliche Grundsteinlegung statt. 6 Jahre Später, also 50 Jahre nach jenem Ereignisse - konnte Richtfest begangen werden und das Phönixbild in der Thurmfront versetzt werden; im Mai 1894 wurde der Reichsadler auf der Helmspitze des Thurmes befestigt. - Die Kosten des Baues ohne den künstlerischen Schmuck und die Ausstattung des innern waren s.Z. auf 4.600.00 veranschlangt worden, welche Summe jedoch nach wesentlicher Vergrösserung der Baufläche, einer gesteigerten Höhenentwicklung des Hauses und mit Rücksicht auf die Zollanschluss- bauten eingetretene Steigerung sämmtlicher Baupreise später um 2.097.000 M erhöht wurde.

Für die Ausstattung des Innern ist ein Betrag von 3.185.000 M vorgesehen, auf den bis jetzt seitens der Baumeister natürlich nur einstweilige Einrichtungen und Dekorationen beschafft werden konnten. dazu beitragen, die endgiltige Vollendung der inneren Ausstattung des Baues, in den zunächst nur die einzelnen, in ihm unterzubringenden Verwaltungen einziehen werden, in schnelleren Fluss zu bringen. 

Möge es den verdienten Schöpfern des Hauses, deren einmüthiges Zusammenwirken bisher alle an eine solche gemeinschaftliche Thätigkeit einer Mehrzahl von Meistern geknüpften Befürchtungen zuschanden gemacht hat, beschieden sein, auf wenn diesen letzten Theil ihres Werkes zu einem glücklichen Ende zu führen ! -F-

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