„Nur mit Schaudern tritt man in dies alte Gemäuer, so verfallen, dunkel und schmutzig ist alles; so nahe scheint es dem Einsturze. Gleichwohl ist es gut, daß Reisende es nicht unbesehen lassen, da es ein Hauptbehälter der Hamburgischen Altertümer ist. Bei jedem Schritte fast stößt man auf eine Denkwürdigkeit: Hier ist das Grabmal eines Papstes, der 965 zu Hamburg starb; dort das Bildnis des berühmten Albert Cranz; dort das Wahrzeichen Hamburgs bei den wandernden Handwerksgesellen, der tanzende Esel mit der Sackpfeife, eine der bizarresten Hieroglyphen, auf die der menschliche Geist gefallen ist, und die, wie es scheint, 1516 aufgestellt wurde. - Zu den Eulen und Fledermäusen, die das alte Gemäuer bewohnen, hat sich. auch der Kaufmannsgeist gesellt, der in Hamburg in jedem Winkel tätig ist. Die eine Kapelle ist seit vielen Jahren die Niederlage der Tischler, die hier Betten, Tische, Schränke usw. ausbieten. Auch ein Buchhändler hat sich zu ihnen gesellet, und in den Kreuzgängen und auf dem Kirchhofe stehen überall Trödler aus mit alten Kleidern und neuen Flugblättern. So kommr überall wieder
Leben aus dem Tode hervor! - Der Handel mit den Pamphlets wird vorzüglich dadurch begünstiget, daß der Dom unter der Gerichtsbarkeit des Dom-Kapitels steht, folglich unter hannöverischer Hoheit. So oft der Hamburgische Magistrat eine Schrift verbietet, liegt sie hier zur Schau aus, und jede Publikation derart ist nur eine Anzeige, daß auf dem Domplatze etwas Interessantes zu haben sei.“
So ließ sich 1801 der Berliner Schriftsteller und Journalist Garlieb Merkel vernehmen.
Nachdem der Reichsdeputationshauptschluß des Regensburger Reichstags 1802 die Säkularisation aller Kirchengüter beschlossen hatte, ging auch der bis dahin
exterritoriale Dom aus der Herrschaft des Kurfürstentums Hannover in Hamburger Besitz über.
Der Hamburger Rat (Senat), nicht gewillt, das baufällige Gemäuer zu erhalten und in der Furcht, die Zeiten möchten sich ändern und der Dom an Niedersachsen zurückfallen, beschloß den vollständigen
Abbruch, der zwischen 1804 und 1807 vorgenommen wurde. Wohl konnten noch eine Anzahl von Altären, Altarbildem und Skulpturen vor der endgültigen Vernichtung gerettet werden, aber das Gebäude selbst
verschwand vollständig, ja selbst der kostbare Lettner wurde restlos zertrümmert. Ein großer Teil der Skulpturen und Grabplatten wurden als Baumaterial für den
Sielbau benutzt.